Absurdität D 2

Die selbstmörderische Sinnlosigkeit der modernen Landwirtschaft

Globale Sicht

Durch die Aufregung über den Rinderwahn, die Maul- und Klauenseuche und die dadurch ausgelöste Umstrukturierung im deutschen Ministerium für Landwirtschaft, im Januar 2001, wird endlich für das allgemeine Publikum klar, dass in der modernen Landwirtschaft und besonders in der Massentierhaltung etwas faul ist. Aus der politischen Entscheidung, die Landwirtschaft in Richtung ökologisch-nachhaltig zu orientieren, ergeben sich nun ungeahnte Chancen, die nicht verpasst werden dürfen.

Als Diplomlandwirt habe ich 50 Jahre Berufsleben hinter mir, war dreizehn Jahre bei einem großen deutschen Chemiekonzern, habe dort vor dreissig Jahren gekündigt, weil ich als Biologe und Ökologe die moderne Agrarchemie nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren konnte. Seitdem bin ich selbstständig. Ich hatte das Glück, außer der deutschen, der brasilianischen, venezolanischen, marokkanischen und andinen Landwirtschaft, auf vier Kontinenten die verschiedensten Bauern- und Agrarkulturen kennen zu lernen. Aus ökologischer und auch rein menschlich-sozialer Sicht ist, was man heute weltweit sehen kann, zum verzweifeln. Wenn wir die Chancen für einen vernünftigen Umschwung nutzen wollen, müssen wir verstehen, was bisher schief gelaufen ist:

Nach der konventionellen Auffassung sind die Methoden der modernen Landwirtsc haft der einzige effiziente Weg zur Lösung des Problems des Hungers auf der Welt und zur Ernährung der durch die Bevölkerungsexplosion auf uns zukommenden Menschenmassen. Das Gegenteil ist der Fall.

Im wiedervereinigten Deutschland haben wir heute, entsprechend der mir zugänglichen Zahlen, und nach dem jahrzehntelangen, weiter fortschreitenden Bauernsterben, noch
ca. eine halbe Million Erwerbstätige in der Landwirtschaft, das sind knapp 0,6% der Gesamtbevölkerung von achtzig Millionen Menschen. In Großbritannien ist in den letzten zwei Jahren die Zahl der Bauern um ein Drittel auf unter 100.000 gefallen (NEWSWEEK, 12 III 01). Das ergibt weniger als ein fünftel Prozent der Bevölkerung. In den USA ist die Situation nicht anders. Während der letzten Wahlkampagne soll es Diskussionen gegeben haben, ob es sich noch lohne für die Stimmen der Bauern zu werben. Der jetzige brasilianische Bundesminister für Landwirtschaft hat vor kurzem behauptet, die Kleinbauern brauche man für die landwirtschaftliche Produktion nicht zu berücksichtigen. Sie existieren für ihn gar nicht.

Das verleitet zu der Behauptung, die moderne Landwirtschaft sei so effizient, dass kaum ein Prozent der Bevölkerung die Gesamtbevölkerung e r n ä h r e n könne, gegenüber an die 60% um 1900 und immer noch um die 20% oder mehr im Jahre 1945, nach Kriegsende. Für diese Behauptung wird aber verglichen, was nicht direkt vergleichbar ist.

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht war der traditionelle, bodenständige Bauer ein nachhaltiges, sich selbst versorgendes, autarkes System der Produktion, Verarbeitung und Verteilung von Nahrungsmitteln. Er produzierte seine eigenen Betriebsmittel und war weder abhängig von transnationalen Konzernen, noch von Banken; er kam ohne Subsidien vom Staat oder überstaatlichen Behörden, wie die EG in Brüssel aus. Er ernährte tatsächlich die Bevölkerung. Für die heute noch überlebenden Bauern, kann man das nicht sagen.

Das soll natürlich nicht heißen, dass alles ideal war, vieles hätte schon früher besser sein können. Aber die Richtung stimmte - fortschreitende Entwicklung zu möglichst lokal angepasster, daher vielseitiger, nachhaltiger Landwirtschaft in einer ökologisch gesunden Landschaft.

Heute will man eine gemeinsame, technokratische Agrarpolitik für einen ganzen Kontinent, und wenn die Globalisierung, wie von den transnationalen Großkonzernen und der ihnen gefügigen Regierungen, nicht gebremst wird, eine gemeinsame, globale, ökologisch und sozial rücksichtslose Agrarpolitik.

Der überlebende "moderne" Bauer ist nur noch das, was die Industrie vom Bauerntum übrig gelassen hat. Im heutigen System - einer enormen, die gesamte Weltwirtschaft durchdringenden technisch-bürokratisch und gesetzlich verankerten Infrastruktur - ist er nur noch ein winziges Rädchen, er wurde total entmündigt.

Die Entmündigung geschah schrittweise und wurde den Bauern jeweils als Fortschritt aufgezwungen. All die Teile ihrer Arbeit, die sicheres Einkommen garantierten, hat man ihnen abgenommen, es bleiben die Risiken - das Risiko schlechter Ernten durch schlechtes Wetter und das ökonomische Risiko. Letzteres hat ihnen die Industrie beschert, indem sie sie von immer teureren Betriebsmitteln abhängig machte und die Preise ihrer Erzeugnisse immer weiter nach unten drückte.

Die Strukturen des Systems umschlingen den gesamten Planeten wie ein Polyp. Wenn wir die Wirtschaft als Ganzes betrachten, ist das System nicht produktiver als die traditionelle Landwirtschaft, weder was menschlichen Arbeitsaufwand betrifft, noch im Flächenertrag.
Abgesehen von der absurden Tierquälerei, ist es in der Massentierhaltung ausgesprochen destruktiv, es zerstört weit mehr Nahrung für Menschen als es produziert. Es ist nicht nachhaltig und die Kosten für Mensch und Natur gehören zu den großen Katastrophen, nicht nur der Geschichte der Menschheit, sondern auch der Geschichte des Lebens auf diesem Planeten.

Es ist sinnlos zu sagen, die moderne Landwirtschaft sei so effizient, dass in einem modernen Land ein winziger Bruchteil der Bevölkerung die Gesamtbevölkerung ernähren kann.

Die vorherrschende ökonomische Doktrin geht davon aus, wir bräuchten mehr Produktion, um die vielen hungernden Menschen zu ernähren und das ginge nur durch Mehrertrag. Aber es weiss doch jeder gutinformierte Mensch, dass Hunger, wo er heute wütet, auf politische, nicht auf technische Probleme zurückzuführen ist. Meistens geht es doch darum, dass man es den Menschen in den traditionellen Kulturen unmöglich gemacht hat, für sich selbst zu sorgen. Wenn heute von reichen und armen Ländern die Rede ist, sollte man doch so ehrlich sein, hinzuzufügen, dass die Kolonialpolitik der letzten Jahrhunderte und die Entwicklungspolitik der letzten Jahrzehnte für diese Armut verantwortlich sind. Für die heutige Weltbevölkerung haben wir genug. Die Bevölkerungsexplosion müssen wir allerdings in den Griff bekommen. Auch sie ist zum Teil das Ergebnis des Abbaus gewachsener sozialer Strukturen.

Es wird meistens nicht verstanden, oder verschwiegen, dass die traditionellen Bauernkulturen, aus Sicht der Ernährung für die Menschheit, weit effizienter waren, als das heutige System.

In meiner Heimat, Rio Grande do Sul, Südbrasilien, haben die Bauern, als die "Kolonie" - das waren die Regionen mit deutschstämmigen, italienischen und zum Teil polnischen Bauern - noch intakt war, die lokale und regionale Bevölkerung sehr gut ernährt und es gab Überschüsse für den Export in andere Staaten Brasiliens. Die modernen, großen, total mechanisierten und chemisierten Monokulturen für Soja aber, tragen praktisch nichts zur Ernährung der hiesigen Bevölkerung bei, da ja fast nur für den Export und die Bereicherung einiger weniger gearbeitet wird. Die Agrarpolitik, die diese Art von Landwirtschaft gefördert hat, hat aber dazu beigetragen, dass heute unser Bauerntum im aussterben ist. Grundnahrungsmittel, wie Maniok, sind inzwischen knapp, schwarze Bohnen, die praktisch zu jeder brasilianischen Malzeit gehören, müssen oft importiert werden - aus Mexiko oder aus USA, Kartoffeln und Gemüse aus São Paulo, Knoblauch und Linsen manchmal sogar aus China ... .

Falls es nicht bald zu einer Wende in der Agrarpolitik kommt, wird unser Bauerntum aussterben. Es fehlt nicht das Land und noch nicht ganz das Wissen, aber ein Großteil der Äcker verwildert, die Bauernhöfe werden zu Ruinen oder zu Wochenendhäusern für Städter. Bald wird es noch schlimmer. Auf den noch nicht aufgegebenen Höfen, lebt meistens nur noch das alte Paar. Die Kinder sind alle weg. Sie sehen dort keine Zukunft. Die Alten leben von der kümmerlichen Sozialversicherung und, da sie sich keine Arbeitskräfte mehr leisten können, pflanzen sie gerade das Allernotwendigste für den Eigenbedarf, bis sie nicht mehr da sind.

Was die Macht nicht kontrollieren kann, versucht sie zu demoralisieren. Das Wort "Colono" wurde zu einem herablassenden Begriff. Die Kinder der Bauern schämen sich oft schon zu sagen, dass ihre Eltern Kolonisten waren. Die heutige Landesregierung versucht zwar, diesen Zustand umzukehren, solange aber die Bundesregierung in Brasilia sich weiter an Globalisierung, WHO und IWF orientiert, wird es ihr wohl kaum gelingen.

Im Flächenertrag war der Bauer effizienter. In unserem subtropischen Klima kommen die großen Monokulturen - mit Soja im Sommer und Getreide im Winter auf derselben Fläche - im Schnitt kaum auf drei Tonnen Hektar/Jahr, der Bauer dagegen, der für die Bevölkerung produzierte, kam mit seinem vielseitigen Anbau - Mischkultur, Fruchtfolge und Eingliederung Acker und Vieh - auf über zehn Tonnen Hektar/Jahr Nahrungsmittel insgesamt.

Neben der Kolonie haben wir die Pampa mit den großen Fazendas (Ranches, die Gaucho-Kultur - heute im Schnitt noch je ca. tausend Hektar groß) mit extensiver Viehwirtschaft auf Naturweide. Interessant ist, dass zur Zeit der großen Hochkonjunktur in der Kolonie, noch in den vierziger Jahren und bis Ende der Fünfziger, die Bauern mit ihren kleinen Betrieben, meistens unter 20 Hektar, insgesamt mehr Fleisch produzierten als die Pampa und damals waren die Fazendas - vor mehreren Erbteilungen - noch um vieles größer.

Bauer und Großagrarier verfolgten verschiedene Ziele. Der Bauer wollte Nahrungsmittel produzieren, für seine Familie, für seine Gemeinde und etwas Überschuss für den Verkauf. Er wollte ein schönes Leben im Dorf, mit Kirche, Schule, Mühlen und Handwerkern, Musik und Festen, usw. Auch wenn er keinen Pfennig in der Tasche hatte, hatte unser Kolonist doch jeden Tag einen üppig gedeckten Tisch. Der Sojaproduzent mit seinen Hunderten von Hektar Monokultur aber, kauft seinen Salat, Obst, Butter, Milch und praktisch all sein Essen im Supermarkt.

Das Bauerntum schaffte automatisch eine vielseitig bewirtschaftete und biologisch vielfältige Landschaft. Bei uns schützte der Bauer sogar fast die Hälfte der Landschaft als Naturwald. Für die großen Sojamonokulturen dagegen, wurde der letzte Zipfel Naturwald wegrasiert, nicht einmal Hecken zwischen den Feldern werden geduldet.

Beim Großgrundbesitzer, ist die Produktion nur ein Mittel zum Zweck, er will Geld machen, Macht erhalten. Das führt zum Ausräumen der Landschaft und zu großen Monokulturen - nur Kaffee, nur Kakao oder Baumwolle oder Kautschuk, nur Soja, nur Rinder, oder nur Zuckerrohr, wie im Nordosten Brasiliens. Er braucht dann auch billige Arbeitskräfte. Da er politisch mächtig ist, fördert er eine Politik, die die Menschen arm macht.

Beim Bauern gab es keine Armut, auch keinen übermäßigen Reichtum. Als im vorigen Jahrhundert in Brasilien noch Sklaverei üblich war, hatten unsere Bauern niemals Sklaven, es arbeitete immer die ganze Familie. Bei Zuckerbaronen in Venezuela hab ich in den sechziger Jahren erlebt, dass Tagelöhner, die ihre Kinder nicht in die Schule schickten, dafür etwas besser bezahlt wurden ...

Der traditionelle Bauer hatte es nicht nötig, die Fruchtbarkeit seines Bodens bei der Industrie zu kaufen. Die Bodenfruchtbarkeit wurde organisch gepflegt - mit Mist, Kompost Gründüngung, Leguminosen, Fruchtfolge, Mulchen, Mischkultur, Brache, Asche, Gesteinsmehl. Auch wenn der Bauer nicht wußte, was Bakterien oder mineralische Nährstoffe sind, er hatte ein tiefes, intuitives Verständnis für den Boden als ein lebendiges System und für die geschlossenen Kreise der Natur.

Als junger Student der Agronomie, auf einer unserer Studienreisen, saßen wir einmal einem älteren Agronomen in seinem Büro in São Paulo gegenüber. Hinter ihm, an der Wand, in großen Lettern, ein sehr weiser Spruch: "Trator não caga" (Der Traktor scheisst nicht).

Die moderne Landwirtschaft öffnet heute Kreise, die geschlossen bleiben sollten. Es geht schon so weit, dass aus Kapital, z.B. Mist, ein ernstes Problem wird. Hunderte von Millionen Tonnen Gülle entstehen und werden zum größten Teil falsch verwendet, sie verschmutzen Gewässer und überlasten die Böden, was zu Nitrateinwaschung führt und das Grundwasser verseucht. Es kam sogar (kommt noch?) schon zur Verklappung auf See ...

Nicht nur auf dem Land werden die natürlichen Kreise geöffnet. Durch die üblichen Techniken der Entsorgung der Städte, Dörfer und Siedlungen wird alles noch viel schlimmer. Die Fruchtbarkeit unserer Böden landet teilweise im Müll, von da auf Deponie oder Verbrennung. Wo bereits relativ gute Wiederverwertung existierte, wie im deutschen Osten, hat man diese wieder abgeschafft.

Was im Abwasser landet, geht oft noch (in Ländern der so genannten Dritten Welt, fast immer) direkt in den Vorfluter, verunreinigt Bäche, Flüsse, Teiche und Seen, und geht dann weiter bis ins Meer. Selbst wenn durch die Selbstreinigung der Gewässer, alles Organische abgebaut ist, gehen die mineralischen Nährstoffe ins Meer, statt zurück auf die Felder.

In der modernen, meist übertrieben großtechnisch- zentralistischen Entsorgung, landet es im Klärschlamm. Dieser findet selten vernünftige Verwendung. Es geht schon so weit, dass er mit hohem Aufwand an Energie getrocknet und dann verbrannt wird. Die Asche geht auf "Spezialdeponie". Aber in der Asche sind doch gerade die wichtigen Mineralnährstoffe und Spurenelemente, die die Pflanze dem Boden entnommen hat. Sie sollten doch zurück auf das Feld von wo sie kamen. Ja, aber wir versauen doch heute alles mit Schwermetallen und Giften, wie z.B. Dioxine, die vom Bodenleben kaum mehr abgebaut werden können. Aber auch garantiert saubere Aschen, aus Heizungen, die nur Holz verfeuern, oder Reisschale, Stroh usw., landen auf wilder oder "ordentlicher" Deponie, oft genug sogar im Bach.

Wie ist es möglich, dass eine mächtige, weltweite Zivilisation - der Globale Industriealismus - die bereits den gesamten Planeten beherrscht, die sich für sehr gescheit hält, die über enormes Wissen bezüglich der großen und kleinen Zusammenhänge in der Natur verfügt, sich kollektiv so dumm benimmt?

Das Saatgut kam früher vom eigenen Hof oder vom Tausch mit Nachbarn, was heute oft schon verboten ist. Die Vielfalt der Pflanzensorten, die angebaut wurden und der Tierrassen mit denen gearbeitet wurde, waren das Ergebnis einer sich über Jahrhunderte und Jahrtausende erstreckenden, bewussten und auch unbewussten Auslese durch die jeweils lokal angepassten Bauernkulturen, ob in Europa, Asien, Afrika, Zentralamerika oder den Anden.

Im heutigen Sprachgebrauch der globalen Großkonzerne, die sich jetzt alles Saatgut aneignen wollen, müsste man sagen, die Sorten und Rassen sind "intellektuelles Eigentum" des Bauerntums.

Man denke nur an die vielen Sorten, die aus der Familie der Kreuzblütler herausgezüchtet wurden: Kohl, Kraut, Blumenkohl, Rosenkohl, Rüben, Radieschen, Kohlrabi, Raps, Senf, Rettich und vieles, vieles mehr. Oder all die Rinder-, Schweine-, Ziegen-, Schaf- oder Geflügelrassen. Hinzu kommen Bienen, Seidenraupen, auch Fische, Krebstiere und Schnecken. Und die vielen Sorten von französischen Champignons und chinesischen Pilzen. Weltweit gesehen, wenn wir alle Kulturpflanzen und Nutztiere berücksichtigen, eine phantastische Vielfalt. Allein bei Reis, Mais und den anderen Getreidesorten ging es in die Zehntausende.

Die Liste nahm kein Ende. Solange die alten Bauernkulturen einigermaßen intakt überleben konnten, wuchs sie sogar beständig. Anfangs hat auch die moderne Züchtung, meistens staatlich, noch zu einer Bereicherung beigetragen. Mit der "Grünen Revolution" aber, ab der fünfziger Jahre, begann ein Abbau in der Sortenvielfalt.

Die moderne Biotechnologie mit ihren patentierten Lebewesen und Kultivaren, in Händen der transnationalen Konzerne, die im Laufe der letzten Jahrzehnte weltweit schon praktisch alle Saatgutfirmen aufgekauft haben, weil ihr Endziel die totale Monopolisierung des Saatguts ist, ist jetzt dabei, dafür zu sorgen, dass die Vielfalt weiter ganz drastisch reduziert wird - ein weiterer Schritt in der Entmachtung des Bauerntums.

Einer der großen Konzerne, Aventis, der jetzt der Landwirtschaft genmanipuliertes Saatgut aufzwingen will, gab vor kurzem bekannt, aus dem Saatgutschatz, den er sich angeeignet hatte, einige tausend Sorten aufgegeben zu haben, weil ökonomisch uninteressant. Da diese Sorten dann praktisch aussterben, ist dies ein Verbrechen, vergleichbar der Vernichtung historischer Denkmäler durch die Taliman in Afganistan. Allerdings ein in der Modernen Industriegesellschaft alltägliches Verbrechen - im Umgang mit nicht nachwachsenden Rohstoffen und beim Ausrotten unzähliger Arten, wenn z.B. ganze Ökosysteme verstümmelt oder ausgelöscht werden.

Da der Bauer mit Zugtieren arbeitete, kam auch die Energie vom eigenen Hof. Die Tiere wurden ja aus dem eigenen Boden ernährt - Weide, Heu, Abfälle, manchmal überschüssiges Korn, das war Sonnenenergie.

Fleisch, ob vom Rind, Huhn, Pute, Schwein, Schaf oder Ziege; Eier, Milch, Butter und Käse, auch Honig, alle Nahrung, ob vom Tier oder Pflanze, kam daher, direkt oder indirekt, von der Sonne - über Photosynthese aus eigenem Boden.

Die Werkzeuge und Fahrzeuge, Hufeisen, Geschirr und vieles mehr, wurden von den Handwerkern im Dorf hergestellt. Die damals geringe Verarbeitung der Lebensmittel geschah vorwiegend entweder auf dem Hof oder im Dorf. Die Mühlen wurden angetrieben von Wind oder Wasser. Der Schmied feuerte früher mit lokal produzierter Holzkohle. Auch das war Sonnenenergie - unbegrenzt nachhaltig. Außer Salz, Metall, ganz früher nicht einmal Textilien, wurde nur sehr wenig zugekauft. Auch die Bauten wurden praktisch nur mit lokalen oder eng regionalen Mitteln erstellt.

Auf dem Wochenmarkt überreichte der Bauer seine Erzeugnisse fast direkt dem Verbraucher oder dem Kramerladen. In meiner Landessprache, Portugiesisch, heißen die Wochentage, "segunda, terça, quarta, quinta feira ..." zweiter, dritter Markttag... Ein
bedeutungsvolles Andenken.

All die Handwerker im Dorf galten in der Statistik, zusammen mit den Bauern, als in der Landwirtschaft tätige Bevölkerung, daher der hohe Anteil.

Auf diese Weise haben alte Bauernkulturen, wie z.B. die chinesische, europäische und andere in Südostasien, in den Anden, Zentralamerika, Mexiko und Afrika, Jahrhunderte und Jahrtausende lang nachhaltig gewirtschaftet, jeweils in die lokale Ökologie eingebettet, ohne die Fruchtbarkeit der Böden zu beeinträchtigen, im Gegenteil, sie wurde meistens erst richtig aufgebaut. Diejenigen Kulturen, die das nicht schafften, sind verschwunden.

Hoffentlich macht man jetzt nicht auch noch das polnische Bauerntum kaputt, welches ja von den Bürokraten in Brüssel als rückständig gesehen wird. Auch in Ungarn, Slovenien, usw.

Gehen wir zurück zu dem anfangs erwähnten sinnlosen Vergleich.

Das alte Bauerntum müsste demnach zahlenmäßig mit dem "food system", wie es die Amerikaner heute nennen, verglichen werden. Das ist das gesamte System der Produktion, Verarbeitung, Verpackung und Vermarktung von Nahrungsmitteln. Hinzu kommt aber noch mehr, nämlich die Herstellung sämtlicher Betriebsmittel, anteilmäßig über Rohstoffe und Energie bis hin zu den Bergwerken; hinzu kommen außerdem Finanzierung und Transport über Kontinente und Ozeane; sowie eine gewaltige Bürokratie in Staat und Konzernen, und heute in Europa, die EG-Bürokratie. Eigentlich müsste man die Agrarhochschulen, Versuchsstationen, Beratungsdienste, usw., mitrechnen. Die traditionelle Landwirtschaft hatte dafür keinen Bedarf. Heute sind diese Institutionen, mit wenigen Ausnahmen, von den Konzernen ideologisch vereinnahmt ... .

Ich wage zu sagen, hätte man das Bauerntum in Ruhe gelassen, es hätte sich sehr wohl so mancher moderner Technik bedient, aber anders. Die Weiterentwicklung wäre zwar langsamer, aber sozial gerechter und ökologisch in Richtung Nachhaltigkeit verlaufen.

Was stattgefunden hat, ist doch eine Umstrukturierung in der Arbeitsverteilung - zum Vorteil der Technokratie. Die Person, die in der chemischen Industrie am Haber-Bosch Verfahren für die Herstellung von Stickstoffdüngern aus der Luft steht, wird in der Statistik unter Chemie geführt; am Rechner, der Informatiker, der die Kredite für die Bauern betreut, wird im Bankwesen erfasst; der LKW-Fahrer unter Transport, usw. Wenn wir wirklich sinnvoll vergleichen wollen, dann müssen wir doch in der Wirtschaft als Ganzem anteilmäßig sämtliche Arbeitsstunden auf addieren die, direkt oder indirekt, mit Produktion, Verarbeitung, Transport, Betriebsmitteln, bis hin zur letzten Vermarktung zu tun haben, statt nur die Zahl derjenigen Personen zu summieren, die den Trecker oder Mähdrescher fahren, Kunstdünger und Gifte streuen, importiertes Futter an eingesperrte, gequälte Tiere verteilen.

Anteilmäßig bedeutet hier, dass z.B. der LKW-Fahrer, für die Stunden, die er landwirtschaftliche Produkte transportiert, unter Landwirtschaft geführt werden müsste, bei anderen Produkten, entsprechend. Anteilmäßig müsste man eigentlich auch in allen Berufen die Arbeitsstunden aufrechnen, die notwendig sind zum verdienen für das Geld, das dem Anteil der Steuern, die in die milliardenhohen Subventionen und die darin enthaltene Korruption gehen. Ich habe noch keine solche Rechnung gesehen, sie würde aber sicher nahe an die 40%, oder mehr, ergeben. Sie müsste ja dann sogar bis hin zu den Autofahrten der Hausfrau zum Supermarkt reichen, für den Einkauf des vorgekochten und tiefgekühlten, super-verpackten Essens. Das ginge auch anteilmäßig bis in die Kühlindustrie und deren Gerätebauer. Das Ganze wäre mal eine Doktorarbeit in echter Ökonomie wert.

Und dieses System verzehrt und verschwendet massiv nicht nachwachsende Rohstoffe, z.B. Phosphatdünger aus den begrenzten fossilen Phosphatlagern - ganze Inseln im Pazifik sind dafür schon abgebaut worden. In den Phosphatminen Marokkos habe ich mit eigenen Augen sehen können, wie Ablagerungen von mehr als zweihundert Millionen Jahre alter Fossilien, zum großen Teil bestehend aus Haizähnen, fein zermahlen wurden, um Phosphordünger zu machen. Haben wir eigentlich das Recht, die so äußerst seltenen, stummen Zeugen vergangenen Lebens derart respektlos zu verwischen?

Die verbleibenden Lager werden noch vor dem Petroleum erschöpft sein. Selbst der Stickstoff kommt in der modernen Landwirtschaft von der Industrie, statt vom Bodenleben und von Leguminosen. Er wird zwar der Atmosphäre entnommen und geht letztendlich wieder in sie zurück, wenn er nicht die Böden und Gewässer mit Nitrateinwaschung verseucht. Er wird aber mit enormem Energieaufwand gewonnen, meistens mit fossilen Brennstoffen. Selbst wenn es Wasserkraft ist, ist es Strom, der woanders Kohle, Erdgas oder Petroleum sparen könnte.

Ein moderner Ökonom würde natürlich sagen: "Alles nicht so schlimm. Es ist nur eine Preisfrage. Mit verbesserter Technik können wir Phosphor auch aus Basalt gewinnen oder aus dem Meerwasser." Stimmt, Basalt kann bis zu einem halben Prozent Phosphor enthalten. Es wird aber einen enormen Energieaufwand voraussetzen, und da ist die Landwirtschaft heute schon im Defizit.

Hinzu kommt, wie bereits oben angedeutet, ein enormer, sinnloser Aufwand für Transport, weil kaum noch lokal und regional vermarktet und verbraucht wird. Fast alles, was man sich heute an Nahrung aus dem Supermarkt holen kann, hat Transportwege von bis zu Tausenden von Kilometern hinter sich. Sogar per Luftfracht, der energieaufwendigsten Form von Transport, werden heute Nahrungsmittel und Blumen über Kontinente und Ozeane transportiert. In Manaus, mitten in Amazonien, eine der üppigsten Formen von Natur, die man sich vorstellen kann, kommt der größte Teil des Gemüses und Obstes für den Mittelstand per Flugzeug aus São Paulo.

Schon auf dem Acker wird heute, mit nur noch wenigen Ausnahmen, mit dem gewaltigen maschinellen und chemischen Aufwand, ein vielfaches an Energie aufgewendet, als Sonnenenergie aufgenommen wird. Aber die Landwirtschaft basiert doch auf dem wunderbaren Prozess der Photosynthese, den das Leben vor über drei Milliarden Jahren hervorgebracht hat und ohne den es sich nicht hätte weiter entwickeln und entfalten können, bis hin zu den höheren Pflanzen und Tieren und zu uns Menschen.

Es ist kaum zu verstehen, dass das Bildungswesen der Wichtigkeit der Photosynthese - den Naturwissenschaften überhaupt - so wenig Beachtung schenkt. Daher kommt es, dass heute leider die meisten Leute, auch die gebildeten, darunter besonders die Ökonomen, Betriebswissenschaftler und andere unter den so genannten Geisteswissenschaftlern, keine Vorstellung davon haben, wie sich der großartige, in unserem Sonnensystem einmalige Prozess des Lebens auf diesem Planeten hält. Sie wissen nicht, oder es ist in ihren ökonomischen und technokratischen Überlegungen, nicht präsent, in den ethischen schon gar nicht, dass alles Leben, auch das tierische, direkt oder indirekt auf der, über Photosynthese aufgenommenen, Sonnenenergie basiert. Ohne dieses schlaue Verfahren wäre die Evolution schon gleich nach Ende der Ursuppe auf der Ebene einfacher Schwefel- und Eisenbakterien stecken geblieben oder zusammengebrochen.

Sogar die moderne Hochseefischerei, wobei es doch um reine Plünderung der Meere geht, eine Plünderung, die schon ihrem Ende entgegengeht, wendet ein Vielfaches der Energie auf, die im Fang enthalten ist. Die Sinnlosigkeit dieser Situation kann man mit folgender Metapher veranschaulichen:

Man stelle sich einen Ölbrunnen vor, an dem die Pumpe mehr Energie verbraucht, als das hochgepumpte Öl liefern kann. Volkswirtschaftlich ist diese Ölförderung schädlich. Ist der Betreiber aber politisch mächtig, gelingt es ihm, sich die aufgewendete Energie subventionieren zu lassen, oder den Preis den er für sein Öl erzielt, dann ist das für ihn ein gutes Geschäft, für die Nation aber ein Schaden.

Wer sich die modernen techno-bürokratisch-legalen Infrastrukturen - von den Nutznießern gerne Sachzwänge genannt - genau ansieht, kann leicht sehen, wie häufig solche Situationen sind, nicht unbedingt nur im Energieaufwand, auch in der Rohstoffveraasung, Landschaft- und Naturvernichtung und, besonders, was die sozialen Kosten angeht.

Für die großen, transnationalen Konzerne ist es natürlich sehr günstig wenn, deren Betriebswirtschaft öffentlich mit Volkswirtschaft verwechselt wird.

Wenn aber unsere Regierungen offiziell diese Verwechslung, wenn auch meistens nur implizite, predigen, wie man das jeden Tag in den Zeitungen, Fernsehen und sogar in ihren eigenen Organen, wie z.B. die Deutsche Welle-TV, lesen und sehen kann, dann ist das ein Beweis dafür, wie weit sie sich bereits als Vasallen fühlen.

Nun bedeutet das aber nicht, dass der Landwirt, wegen der hohen Subventionen für die Landwirtschaft, zu den Nutznießern des großen Betrugs gehört, wie leider immer noch von vielen geglaubt wird. Im Gegenteil, er ist das erste Opfer, das schwächste Glied in diesem Prozess. Die Ausbeutung geht zugunsten des "Agribusiness" der Nahrungsmittel verarbeitenden Industrie, der chemischen Industrie, der Industrie für Landbaumaschinen, usw. Dort landet der größte Teil der Gelder. Die Tausenden von Bauern, die jedes Jahr allein in Deutschland aufgeben müssen, tun dies ja nicht, weil es ihnen Spaß macht. Sogar in China, wo eine Regierung, die sich kommunistisch nennt, aber wilden Kapitalismus fördert, und jetzt nach westlichem Muster die Landwirtschaft modernisieren will, häufen sich, wie auch bei uns in Sübrasilien, die Selbstmorde unter Bauern. Die Zahl der Entwurzelten geht jetzt schon in die Hunderttausende.

Der mächtige Polyp, der die Landwirtschaft vereinnahmt, die Schulen, Forschung und Beratung schon fast total kooptiert, erstreckt seine Fangarme bis hin zu den entferntesten Bergwerken und Ölfeldern, ob in der Nordsee oder im Amazonasgebiet; geht über Raffinerien, über die Agrarchemie mit ihren Giftmischern, die Kunststoff- und Farbenchemie für all die Verpackung, die meistens überflüssig und irreführend ist; die Maschinenfabriken und ihre Zulieferer; Schlachthäuser, Konservenfabriken, Transportwesen, Supermärkte, usw.. Der in Überesse horrend Umwelt zerstörende Futteranbau für die Massentierhaltung mit seinen schlimmen sozialen Kosten ist ebenso unentbehrlicher Bestandteil in diesem, auf lange, wenn nicht sogar mittelfristige Sicht, selbstmörderischen System. Neuerdings kommt das Geschäft mit der Gentechnik noch dazu.

Schlimm ist, dass die Nahrungsmittel meistens denaturiert und mit Rückständen aus Agrargiften, mit Additiven und Geschmack- und Aromaverfälschern kontaminiert sind. Statt Gesundheit zu sichern, über saubere, ganzheitliche Nahrung, bietet uns das System eine zum großen Teil schädliche Ernährung. Die ansteckenden Krankheiten glaubte man endgültig unter Kontrolle zu haben, dafür nahmen die, meistens unheilbaren, degenerativen Krankheiten zu. Es breiten sich aber sogar die Seuchen wieder aus. Kein Wunder, der jetzige Lebensstil, und da ist die ungesunde Nahrung nur ein Teil des Übels, beeinträchtigt natürlich das Immunsystem.

Wo werden die Kosten für die Volksgesundheit aufgerechnet? Aber die moderne Medizin lebt ja vorwiegend von der Krankheit, nicht von der Gesundheit...

Hier sollte man eine Überlegung anstellen, die kaum jemand anstellt. Es heißt oft: "Es hat noch nie so viele und so alte Menschen gegeben, wie heute". Stimmt. Der Vater meiner leider zu früh verstorbenen Frau feierte voriges Jahr seinen hundertsten Geburtstag, in guter Gesundheit und mit klarem Kopf. Nächsten Monat seinen hundertundersten. Man darf aber nicht folgern, dass die Lebenserwartung, mit unserer heutigen Form von "Fortschritt", ganz automatisch immer länger werde. Es stimmt sowieso in den meisten Ländern schon nicht mehr. Es wird vergessen, dass Menschen dieses Alters den größten Teil ihres Lebens in einer ganz anderen Welt gelebt haben. Sie müssen schon, rein biologisch, eine Auslese sein, mit einem sehr guten Immunsystem. Sie wurden 40, bevor es Antibiotika gab. Damals starb man an Furunkeln und einfachen Infektionen, die heute kein Problem mehr sind. Sie waren 60 in einer noch relativ sauberen Welt.

Zur praktisch totalen Denaturierung und Kontaminierung unserer Nahrungsmittel kommt es ja erst jetzt so richtig. Welche Lebenserwartung bleibt dann den heutigen Kindern und Jugendlichen? Und was wird aus den Ungeborenen, die schon im Mutterleib einem Sammelsurium von Spuren und Rückständen der verschiedensten Gifte ausgesetzt sind?

Da im heutigen ökonomischen Denken, Umwelt- und soziale Kosten "externalisiert" werden, schert sich das techno-bürokratische Establishment nicht um die sozialen Kalamitäten, die die moderne Landwirtschaft weltweit ausgelöst hat und weiter auslöst. Wo sind die Statistiken über die zig Millionen Bauern und Handwerker, die überall in der Welt, besonders in der Dritten Welt, entwurzelt wurden oder ihre Gesundheit den Agrargiften geopfert haben? Wo werden die Kosten aufgerechnet für den Abbau der gewachsenen sozialen Strukturen, was weltweit zu wachsender Kriminalität führt? Wo die Kosten für die ausufernden Elendsviertel der Megalopolen in der Dritten Welt? Für das Genozid - ja, so muss man es nennen - so manchen indigenen Stammes? Für das Aussterben von Sprachen und Kulturen? Ein Prozess der durch die Globalisierung noch weiter verschlimmert werden wird.

Wenn man in Statistiken der Vereinten Nationen liest, dass von den sechs Milliarden Menschen, die heute leben, über ein Drittel mit weniger als einem Dollar pro Tag das Leben fristen muss, und daraus gefolgert wird, dass wir ihnen helfen müssen, sich möglichst schnell zu "entwickeln" - im westlichen Sinne, natürlich - dann ist das eine irreführende Behauptung. Wer mit diesem Betrag seinen gesamten Konsum kaufen muss, ist längst verhungert oder erfroren - den gibt es nicht mehr.

Anfang der Siebziger Jahre habe ich für die deutsche Wirtschaftshilfe und unsere damalige Landesregierung einen tausendsechshundert-seitigen Bericht aus dem Deutschen ins Portugiesische übersetzt. Es war eine Studie über drei Flusstäler mit Vorschlägen für "Entwicklung". Gott sei Dank ist die Studie in den Archiven verstaubt und endgültig vergessen. Den deutschen Steuerzahler hat sie allerdings einige Millionen gekostet. Es ist aber historisch interessant und für unser Thema relevant, wenn man sie sich heute ansieht. Die Perspektive war perfekt technokratisch. Große Polder mit Riesendeichen sollten gebaut werden, zentralistische große Kläranlagen und vieles mehr. Die gesamte Natur, einschließlich des Lebens in den Flüssen wurde gar nicht berücksichtigt.

An der Landwirtschaft - die drei Flusstäler sind das Herz der oben erwähnten Bauernkulturen deutscher und italienischer Abstammung in Südbrasilien - wurde kritisiert, dass die Bauern zum großen Teil Selbstversorger waren und auch ihre Produkte zum größten Teil lokal und regional vermarktet wurden. Das galt als rückständig!!! Genauso denken die Vereinten Nationen, wenn sie behaupten Milliarden Menschen lebten mit weniger als einem Dollar pro Tag. Was da wirklich gemeint ist, ist dass diese Menschen kaum soviel "Bruttoinlandprodukt", BIP oder BSP, Bruttosozialprodukt erwirtschaften.

Das Bruttosozialprodukt ist aber doch der sinnloseste Maßstab zum messen von echtem, menschenwürdigen, nachhaltigen Fortschritt. Da wird doch nur Geldfluss gemessen, egal in welche Richtung und zu welchem Zweck. Das führt dazu, dass die monetären Kosten auch von Kalamitäten, wie z.B. Erdbeben, Sturmfluten und Überschwemmungen oder Katastrophen, wie Flugzeugabstürze, Bahnunfälle mit hunderten von Toten, von unseren Ökonomen in ihren Statistiken, wenn sie das "Jahreswachstum" der Nation beziffern, als Fortschritt registriert werden...

Die Menschen, die heute mit einem Bruttoinlandprodukt von unter einem Dollar leben, sind deshalb noch lange nicht alle arme, unglückliche Menschen. Es gibt natürlich leider genug Menschen, die in äußerstem Elend leben, sich in den krebsartig sich ausbreitenden Megalopolen der Dritten Welt von Müll ernähren, und die Zahl wächst rasant. Das sind die vom "Fortschritt" entwurzelten. Aber, bei intakten Indianerkulturen im Urwald ist das BIP gleich null. Das waren glückliche Menschen in einer für sie sinnvollen Welt. Viele intakte Handwerkerkulturen, wie sie in Indien z.B. noch zu sehen sind, trotz der systematischen Vernichtung, der sie im britischen Kolonialismus ausgesetzt waren, haben vergleichsweise sehr geringe BIPs. Auch diese Menschen sind nicht arm. Desgleichen, wo relativ intakte "primitive" Bauernkulturen überleben, sind sie nicht arm. Es besteht aber große Gefahr, dass sie bald arm gemacht werden, besonders durch die Globalisierung.

Es geht doch zum größten Teil um die Menschen, die heute noch in historisch und organisch gewachsenen sozialen Strukturen leben, in denen sie sich geborgen fühlten, in denen das Leben für sie Sinn hatte; Strukturen mit biologisch gesunder, lokal angepasster Landwirtschaft, mit Selbstversorgung und gegenseitiger Hilfe, Verflechtung und Solidarität. Man lese die Bücher von Helena Norberg-Hodge über den vom Westen ausgelösten Zerfall der tibetanischen Kultur in Ladak oder der Anthropologen, wie Lévi Strauss oder Harald Schultz, die brasilianische Indianerkulturen unvoreingenommen beobachtet haben und sehe sich an, was die "Zivilisation" inzwischen aus ihnen gemacht hat.

Wenn sich die Globalisierung in den kommenden Jahrzehnten so verwirklicht, wie das die transnationale Technokratie heute fordert, dann werden wir bald erleben, dass eine weitere Milliarde Menschen, oder zwei, entwurzelt werden. Hugo Chaves, der Präsident Venezuelas, sagte neulich in einem Vortrag an der Uni in Brasilia: " ...und was werdet ihr machen, ihr Mittelständler in euren Villen und ihr Reichen, hinter den hohen Mauern eurer mit bewaffneten Wächtern verteidigten Kondominien, wenn dann die großen Massen der Entwurzelten, Enteigneten und Verzweifelten auf euch zukommen?". Das Wetterleuchten sehen wir doch schon überall am Horizont.

Das System welches heute die gewachsenen Strukturen ersetzt und die Menschen entwurzelt ist außerdem extrem anfällig und wird mit wachsender Komplexität der technologischen und wirtschaftlichen Infrastrukturen immer anfälliger.

Als nach Kriegsende in Deutschland alles kaputt war, war die deutsche Bauernkultur noch ziemlich intakt. Die Städter konnten auf dem Land "hamstern" gehen. Der Bauer hatte Getreide, Kartoffel, Gemüse, Obst, Milch, Butter, Käse und einiges mehr. Heute brauchte keine einzige Bombe zu fallen, Kollapse im Finanzsystem, in den Rechnern, im Transport oder Energie, könnten die moderne Landwirtschaft abrupt zum Erliegen bringen. Dann müsste der Bauer selber hamstern gehen, aber wo?

Eigentlich müsste sich der Minister für Verteidigung an erster Stelle nicht um Waffen, sondern um Landwirtschaft kümmern. Da ist die moderne Nation verwundbar. Man bedenke nur die Abhängigkeit der Massentierhaltung von importierten Futtermitteln.

In meiner Heimat, Südbrasilien, haben wir, mit staatlicher Förderung, im Laufe der letzten Jahrzehnte ein gesamtes Biom (Superökosystem), den subtropischen Regenwald der Uruguay- und Paranábecken, weg rasiert - für die Sojaplantagen, meistens ohne das Holz zu nutzen. Es wurde alles verbrannt (großflächige, maschinelle Brandrodung). Tausende von Arten wurden ausgelöscht. Ähnliche, sinnlose Zerstörung von Wäldern fand in Südostasien statt, für die Produktion von Tapioca, und in Afrika für Palmenschrot. Inzwischen sind wir in Brasilien dabei, das Cerrado, das südamerikanische Gegenstück zur afrikanischen Savanne, noch rasanter zu demolieren als den Regenwald am Amazonas. Dieses Biom ist von unglaublicher Artenvielfalt und unzähligen Endemismen (Arten, die ein begrenztes Habitat haben - wenn das Biotop weg ist, ist die Art weg). Biologen glauben, das Cerrado sei reicher als der Regenwald.

Während der dreieinhalb Milliarden Jahre organischer Entwicklung hat es fünf große Phasen des massiven Aussterbens von Arten gegeben und mehrere kleine. Anschließend dauerte es jeweils Millionen Jahre bis sich aus den wenigen Arten, die überlebten, neue Vielfalt entwickeln konnte. Einige dieser Katastrophen hätten fast das Leben auf unserm Planeten ausgelöscht. Wenn sich der globale Industrialismus, mit seiner immer rasanter fortschreitenden biologischen Verarmung der Welt, nicht sehr bald grundsätzlich ändert, dann wird aus dem heute schon von uns Menschen ausgelösten Massensterben von Arten eine der ganz großen Aussterbephasen der Geschichte des Lebens. Ob wir dann unter den wenigen Überlebenden sein werden?

Wozu all diese Verwüstungen? Etwa für die Ernährung hungernder Südamerikaner, Asiaten oder Afrikaner? Mitnichten, für den Export in die EG und Japan und sogar, in der Zwischensaison, nach USA, für die Massentierhaltung mit ihren Butterbergen und Milchseen und neuerdings den großen Keulungen.

Wenn wir schon für die absurde Massentierhaltung in Europa produzieren, sollten wir eigentlich hier mästen und nur das Fleisch exportieren. Wir würden hier für Menschen, die es nötiger haben Arbeitsplätze schaffen.

Die großen Sojamonokulturen gingen an unserem Bauerntum vorbei, sie haben ihm nichts genutzt, im Gegenteil, die Bauern wurden von der neuen Agrarpolitik erst recht entwurzelt - eine Politik, diktiert von den transnationalen Konzernen. Die großen Plantagen für Soja wurden meistens von Leuten gemacht, die keine landwirtschaftliche Tradition hatten - Ärzte, Anwälte, Militärs, Industrielle und andere - für deren persönliche Bereicherung. Unser Bauer hatte keinen Zugang zu Bankkredit für Landkauf, für schwere Maschinen, Kunstdünger und Agrargifte.

Auch in der Landwirtschaft, selbst unter Agronomen und Veterinären, ist nur wenigen bewusst, wie zerstörerisch die Massentierhaltung ist. Wie sie dazu beiträgt, das Problem des Hungers in der Welt zu verschlimmern.

Ich hatte das große Glück, das Leben in den Oasen in der Sahara, in Westnordafrika, aus der Nähe kennen zu lernen. Das war in den sechziger Jahren. Hoffentlich hat man dort noch nicht "modernisiert". Die Menschen lebten wie zu Zeiten des alten Testaments und sie machten eine total angepasste, durch Jahrtausende nachhaltige, hoch produktive Landwirtschaft - man kann fast sagen, eine vierstöckige Landwirtschaft: Hackfrüchte, Körner und Knollen; Büsche und Bäume, besonders Feigen und Mandeln und die Datteln an den hohen Palmen. Dort habe ich verstanden, warum die Patriarchen des Alten Testaments den Genuss von Schweinefleisch verboten haben. Fragt man einen Rabbiner oder Mullah, glauben sie meistens noch, es sei aus hygienischen Gründen. Es hat aber mit ökologischer Vernunft und sozialer Gerechtigkeit zu tun.

Die Haustiere der Oasenkulturen sind das Kamel, der Esel und die Ziege. Diese Tiere ernähren sich hauptsächlich außerhalb der Oase. Das Kamel marschiert bis zu Dutzenden von Kilometern pro Tag, ernährt sich von Dornenbüschen und trockenem Stroh, es kann Äste verzehren und verdauen. Wenn es in der Oase übernachtet, bleibt der Mist, und es frißt Abfälle, ebenso Esel und Ziege. Kamel und Ziege liefern Milch, das Kamel und der Esel auch noch Arbeit, alle drei werden auch vom Menschen verzehrt. Diese Nutztiere tragen also dazu bei, dass die Tragfähigkeit der Landschaft für Menschen erhöht wird. Sie bringen zusätzliche Photosynthese von draußen in die Oase.

Das Schwein aber braucht dieselbe Nahrung wie wir - Samen, Nüsse, Körner und Früchte, Wurzeln, Knollen und saftiges Grün, trockenes Stroh nur zum Nester bauen (ja das können unsere Schweine noch, wenn man ihnen ein artgerechtes Leben gestattet), es frißt sogar Fleisch. In Der Oase müsste es folglich vom Acker ernährt werden. Da in der Oase aber alles knapp bemessen ist, auch die Abfälle, müsste man für jedes erwachsene Schwein einige Menschen rausschmeißen. Nur der Mächtige könnte sich das leisten. In der Oase herrschte aber relative soziale Gerechtigkeit. Folglich ist dort das Schwein ökologisch und sozial gesehen Sünde.

In der traditionellen chinesischen Landwirtschaft, besonders in der tropischen, dagegen, war das Schwein wichtiger Verwehrter der üppig anfallenden Grünen Abfälle.

Was machen wir aber heute in der modernen Massentierhaltung? Gehen wir etwas mehr ins Detail. Der interessierte Laie und auch die "Experten" müssen endlich erfahren, worum es geht. Einer dieser "Zootechniker", wie sie sich bei uns gerne nennen, sagte mal zu mir - "Ich ziehe es vor, mit 60 an Krebs zu sterben als mit 30 zu verhungern". Es ist aber doch eher so, dass das System beides vorbereitet - Hunger und Krebs.

Aus dem Huhn machen wir ein biblisches Schwein - es bekommt "Kraftfutter", bestehend hauptsächlich aus Körnern, die woanders als Menschennahrung fehlen. In Amazonien, inmitten einer Landschaft, in der es phantastische Mengen Biomasse gibt, sah ich sogar Betriebe, die Trockenmilch aus der EG zum Hühnerfutter nahmen...

Wenn das Rind, wie in den "feed lots" in Chicago, mit reinem Korn ernährt wird, ist es noch sinnloser. Das Rind ist doch ein Weidetier, es sollte sich möglichst auf den Flächen, ernähren, die für Acker nicht geeignet sind, z.B. auf der Alm, oder von Heu und Resten auf dem Acker innerhalb von Fruchtfolgen, die den Boden gesund halten. Statt dessen bekommt auch die Kuh in der Massentierhaltung Nahrung, die eigentlich für Menschen bestimmt wäre und vielen Menschen auf der Welt fehlt. Heute wird das Rind sogar teilweise zum Fleischfresser und zum Kannibalismus gezwungen, wie ja durch den Skandal des Rinderwahns allgemein bekannt wurde.

In Südbrasilien, übergreifend nach Argentinien und Uruguay, gibt es noch die fast intakte Pampa mit Naturweide. Die Produktivität ist nicht groß - 30 bis 50 Kg Fleisch pro Hektar und Jahr. Hinzu kommen die Felle, wir haben hier eine der besten Lederindustrien der Welt. Die Produktivität kann aber durch Umtriebbeweidung leicht verdoppelt und verdreifacht werden, wie das bereits einige Fazendeiros zeigen. Diese Art Viehzucht ist ökologisch angepasst und nachhaltig, hat die Landschaft in vierhundert Jahren kaum verändert. Brasilien ist groß genug - achteinhalb Millionen Quadratkilometer mit einer Bevölkerung von hundertundsiebzig Millionen (zwölfmal mehr Land pro Einwohner als in der BRD). Wir können uns diese Art der Viehzucht leisten. Der Fazendeiro, die Kultur der Gaúchos, es sind ebenso Familienbetriebe, wie die Bauern, verdiente eigentlich besonderen Schutz - als Pfleger der Landschaft.

Aber auch diese Kultur ist heute bedroht. Durch Erbschaftsteilung werden die Farmen immer kleiner, daher unrentabler. Sie werden dem Druck der großen Monokulturen wohl nicht mehr lange widerstehen können. Die brasilianische Bundesregierung betreibt außerdem, zu Lasten der Fazendas, eine Pseudo-Agrarreform mit entwurzelter Landbevölkerung, statt mit einer vernünftigen Agrarpolitik den echten Kleinbauern zum überleben zu helfen und der Entwurzelung von Millionen von Menschen entgegen zu wirken.

Anders sieht es in Zentralbrasilien und Amazonien aus. Dort eignen sich Mächtige Riesenflächen an, indem sie mit ihren "Jagunços"(Pistoleros) die Einheimischen - Indianer oder Caboclos - aus der Wildnis vertreiben oder töten. Die natürlichen Ökosysteme, Regenwald, Cerrado und die Übergangsformen werden ausradiert. Meistens wird dann eine einzige Art von Gras eingesät. Diese Kunstweiden degradieren schon in wenigen Jahren. Es kommt grobes Gestrüpp auf, das die Rinder nicht mögen. Dann wird entweder mit Herbiziden oder mit schweren Maschinen dagegen vorgegangen. In wenigen Jahren sind die Böden so kaputt, dass aufgegeben wird und etwas weiter wieder ein Stück intakte Wildnis vernichtet wird. Bis es keine mehr gibt.

Die Naturweiden in der Pampa aber, werden von den fortschrittlicheren (im wahren Sinne des Wortes) Fazendeiros in ihrem natürlichen Zustand gepflegt. Sie haben längst erkannt, dass Kunstweiden dort nicht nachhaltig sind. Die Naturweiden der Pampa sind ein komplexes Ökosystem, im ökologischen Klimax. Allein an Gräsern haben Botaniker mehrere hundert Arten beschreiben können und an Kräutern eher mehr. Entlang der Bäche, Wasserläufe und Flüsse sind die Galerie- und Auenwälder noch fast alle intakt.
Hier wird, in einer wunderschönen Landschaft, noch echt gesundes Fleisch produziert. Die Auen- und Galeriewälder werden fast immer total erhalten, weil sie dem Vieh Schutz gewähren. Sie sind biologisch auch von extremer Vielfalt.

Monsanto fördert nun, großflächige Anwendung von Totalherbiziden auf den Naturweiden, um diese einmalige Artenvielfalt durch ein einziges Gras zu ersetzen. Ein schönes Beispiel "rationeller" moderner Landwirtschaft! Das führt auch noch zu einer weiteren Katastrophe. Inmitten dieser Naturweiden, auf hervortretenden Felsplatten und zwischen Felsengruppen, überleben seltene Kakteen und Bromelien. Was nun, nach Plünderung durch Sammler, noch da ist, wird durch die Herbizide endgültig ausgerottet. So bringt in unserer Konsumkultur jeder neue "Fortschritt" zusätzliche Kalamitäten mit sich. Die Kunstweiden sind nicht nachhaltig.

Die heutige Massentierhaltung, zu der man sogar schon die traditionellen Fazendeiros überreden will, geht fast immer davon aus, dass die Tiere mit eigens für sie vorbereitetem, oft eigens dafür angebautem oder aus dem Meer gefischtem einheitlichen Kraftfutter versorgt werden. Dabei produziert die jetzige Wirtschaftsform enorme Mengen von Abfällen, die nach vernünftiger Verwendung schreien und nicht genutzt werden.

Nicht nur in der traditionellen chinesischen Landwirtschaft, auch heute könnte das Schwein sehr wohl ein nützlicher Resteverwerter sein, darf es aber nicht mehr - man denke nur an die gewaltigen Mengen von Essen, die heute allein in den Gaststätten von den Küchen und Tellern in den Müll wandern; an die Verluste durch sinnlose Verpackung, unnötige industrielle Verarbeitung, enorme Transportwege und globale Vermarktung. Durch Ablauf des Gültigkeitsdatums im Supermarkt geht ein weiterer substanzieller Teil verloren. Oft ist die Verfütterung dieser Reste auch noch gesetzlich verboten, oder sie wird durch die Verpackungsart unmöglich. In den kleinen Kunststoffbehältern, wie sie im Flugzeug vielleicht Sinn hatten, die aber dann auch in Hotels sich ausbreiteten, bleibt meistens ein großer Anteil für den Müll und geht auf Deponie. Auf den meisten Flughäfen (wo ich mich erkundigen konnte) gehen auch die von den Malzeiten übrig gebliebenen, noch intakten, vollen Behältnisse in die Verbrennung, besonders wenn sie von internationalen Flügen kommen. Es könnten ja Keime von ansteckenden Krankheiten mitkommen. Dann muss man sich allerdings fragen, wieso die Passagiere nicht in Verbrennung gehen...?

Zur Vorbeugung der Maul- und Klauenseuche soll es heute genügen, dass sie die Schuhsohlen desinfizieren, indem sie durch eine Jodlösung stapfen müssen. Lächerlich! Bakterien und Viren halten sich doch nicht an Schuhe und Reifen, sie können sogar via Stratosphäre über Kontinente und Ozeane wandern. Und die großen Scheiterhaufen von Rindern, Schafen und Schweinen jagen doch einen Teil der Keime gerade mit ihren Destillaten im Rauch in die Luft. Und was ist mit den Prionen beim Rinderwahn?

Was sich in der Massentierhaltung Fortschritt nannte, führt zu immer neuem Wahn. Was wäre wohl, wenn man die Logik des Keulens wegen Aids auf Menschen anwenden würde???

Weltweit liegt dem System inzwischen eine positive Rückkoppelung zugrunde, die zu immer neuer Verschwendung führt, ganz abgesehen von den massiven Vernichtungsaktionen der EG und anderer landwirtschaftlicher Subventionssysteme. Ganz abgesehen von der Keulung, wie sie jetzt (Anfang 2001) wütet.

Für unsere persönliche Bildung sollten wir uns alle die immer zahlreicher, immer größer und immer teurer werdenden Mülldeponien ansehen. Im Zusammenhang mit dem Treibhauseffekt, liest man öfter Hinweise auf das von den Rindern in der modernen Massentierhaltung ausgestoßene Methan, ein Gas, welches ja ein Vielfaches des Effekts von Kohlendioxid hat. Ich vermisse aber in diesem Zusammenhang die Erwähnung der Mülldeponien. Diese produzieren doch heute gewaltige Mengen Biogas. Außer ganz wenigen Ausnahmen, wo mit dem Gas Generatoren für Strom betrieben werden, oder wo abgefackelt wird, was dann aber Kohlendioxid freisetzt, geht alles in die Luft. Das könnte ebensoviel, wenn nicht mehr ausmachen, als die Rülpser und Pfürze der Rinder.

Sowohl Hühner, wie Schweine lieben Grün, sie stürzen sich darauf. Auf dem Hof unserer Stiftung (Fundação Gaia) bekommen sie hauptsächlich Wasserpflanzen und Reste aus dem Gemüsegarten und können im Freilauf Kräuter und Gräser nach Belieben verzehren. Wieso bekommen Schweine und Hühner in ihren modernen Kerkern und Konzentrationslagern kein frisches Grün? Ganz klar, dass man ihnen dann alle möglichen Medikamente, einschließlich Antibiotika geben muss. Schon allein das Langweilige des sich immer gleich bleibenden Kraftfutterbreies muss die Tiere doch seelisch krank machen.

Selbst Fische, z.B. Lachse, werden heute in Käfigen unter Wasser gehalten, oder Forellen in Becken am Bach, und mit Kraftfutter gemästet. Sie schmecken auch entsprechend, verglichen mit den natürlich gewachsenen Tieren. Die vielen Formen von Kraftfutter für die verschiedensten Formen von Massentierhaltung, sind mit einer der Gründe für das Totfischen der Meere, weil heute zu diesem Zweck mit feinmaschigen Netzen sogar die kleinsten Jungfische und Laich, alle möglichen Larven von Krebstieren, Mollusken und anderen mitgenommen werden. Auch werden heute weltweit an tropischen Küsten, die einmaligen Mangrovenwälder, die für das biologische Gleichgewicht der ozeanischen Ökosysteme - sicher auch für das Weltklima - wichtig sind, vernichtet, um Platz zu machen für Becken zum Mästen von Garnelen, ebenfalls mit Kraftfutter.

Im Fall Hühnermast liegt der Umwandlungsfaktor knapp über zwei. Das heißt, aus 2,0 bis 2,2 kg Kraftfutter werden 1 kg Hähnchen - Lebendgewicht! Sagen wir zwei zu eins. Das Kraftfutter, sofern es aus Körnern besteht, was meistens der Fall ist, könnte ganz in die Ernährung von Menschen gehen. Wir verzehren aber vom lebenden Hähnchen kaum die Hälfte. Federn, Eingeweide und deren Inhalt gehen meistens in den Abfall. Krallen und Köpfe mögen in die Wurst gehen, ohne dass der Konsument das weiss. Die Knochen bleiben auf dem Teller, oft auch noch die Haut. Aus obigem Faktor wird also vier zu eins. Da die Kraftfutterfabriken das Futter zu Tausenden von Tonnen handhaben und über Tausende von Kilometern transportieren, darf es nicht mehr als 12% Feuchtigkeit enthalten, es würde sonst vermodern. Es wird also mit großem Energieaufwand getrocknet auf maximal 12% Feuchtigkeit. Da wir vom Huhn aber nur Muskelfleisch und einige Organe, wie Herz und Kropf essen, Tierisches Gewebe aber bis zu achtzig Prozent Wasser enthält, müssen wir weiter korrigieren: 4 x 0,88 und 1 x 0,2, gibt ca. 18 zu 1. Beim Schwein ist der Faktor um vieles schlechter, beim Rind weit mehr.

Der sinnlose Energieaufwand, unter anderem Beleuchtung 24 Stunden oder Klimaanlage ist in dieser Rechnung noch gar nicht berücksichtigt.

Seit einigen Jahren haben unsere Hühnerkonzerne - Brasilien ist großer Exporteur von Hühnerfleisch, besonders in die arabischen Länder und nach Japan - diesen Faktor etwas verbessert, indem die Abfälle, die im Schlachthaus anfallen, aufgearbeitet und dem Kraftfutter beigemengt werden. So macht man die Hühner auch zu Kannibalen.

Vielleicht müssen wir uns bald auch auf einen Hühnerwahn vorbereiten - und auf Lachs- und Garnelenwahn. Diese werden übrigens auch schon mit Körperresten und Antibiotika im Futter behandelt.

Man kann es nicht oft genug wiederholen, was hat dieser ganze Irrsinn mit Lösen des Welthungerproblems zu tun? Er zerstört nicht nur Nahrung, die wir heute eigens für das Huhn anbauen - im Staat Santa Catarina, wo die größten Hühnerkonzerne sind, werden die steilsten Berghänge, nach Brandrodung der letzten noch existierenden Naturwälder, mit Mais für die Kraftfutterfabriken der Hühnerkonzerne bebaut, was zu gewaltiger Erosion und endgültiger Zerstörung der Böden führt. Es wird also auch noch zukünftige Produktivität vernichtet.

Wir verschwenden auch, was früher vom Huhn genutzt wurde. Auf dem traditionellen Bauernhof ernährte sich das Huhn von Insekten, Regenwürmern, Schnecken, Pferde- und Rindermist, von Abfällen aus der Küche und es fraß jede Menge Grün - alle möglichen Wildkräuter und Reste aus dem Gemüsegarten und vom Feld. Heute wird den Haltern der Hühner-Konzentrationslager und ihren Nachbarn sogar das Halten frei laufender Hühner für den Eigenbedarf verboten, wieder mit dem Argument, diese könnten ja Krankheiten übertragen. Dabei sind doch gerade die eingepferchten Hühner krank - fast immer mit Salmonellen verseucht und anderen infektiösen Krankheiten, weshalb sie systematisch mit Antibiotika vollgepumpt werden, zum Teil mit verbotenen, wie z.B. Nicarbazin und andere, weil die Keime immer resistenter werden. Auch von dieser Seite drohen neue Gefahren. Immer mehr Krankheitserreger werden gegen immer mehr Antibiotika resistent. Wir verlieren unsere besten Waffen gegen Infektionskrankheiten.

Die früher auf dem Bauernhof freilaufenden Hühner erhöhten auf nachhaltige Weise die Tragfähigkeit des Bodens für Menschen, das industrielle Huhn verringert sie ganz beträchtlich, es trägt zum Welthunger bei und bedroht die Gesundheit.

Sind die verantwortlichen Experten blöd oder verrückt? Sicher nicht. Diese Methoden haben mit Machtstrukturen zu tun. Will ich heute mein Dasein als Hähnchenmäster oder mit einer Eierfabrik verdienen - ich spreche jetzt aus südbrasilianischer Sicht (es mag in Europa im Detail etwas anders sein) - muss ich mit einem von einem halben Dutzend großer Konzerne einen Kontrakt abschließen. Der nennt sich "vertikale Integration". Ich verpflichte mich, alle Betriebsmittel, geschlüpfte Küken, Kraftfutter, Medikamente und einiges mehr, von der entsprechenden Firma zu beziehen. Sie besitzt und betreibt das Schlachthaus, die Kraftfutterfabrik, sowie die Brutmaschinen und hält die Muttertiere für die Küken. Die schlachtreifen Hähnchen oder die Eier muss ich bei derselben Firma abgeben. Die "Konkurrenz" würde sie nicht nehmen.

Es ist ein total von Großkonzernen manipulierter Markt. Von wegen, freie Marktwirtschaft! Das richtige Wort für diese Regelungen ist - Knebelkontrakte. Das gibt es auch für die Tabakpflanzer und bei Konserven für Gemüse und Früchte, neuerdings für Schweinemast. Die Bedingungen werden immer härter.

In Pelotas, Südbrasilien, sind vor wenigen Jahren einige der großen Konservenfabriken eingegangen. Sie hatten die Bauern so lange geknebelt, bis es keine Früchte mehr gab, weil diese aufgeben mussten. Einige der Firmen überlebten, indem sie mit importierten Früchten und Gemüse arbeiten - aus China, Chile, Argentinien und sogar, man stelle sich das vor, aus dem Hungerland Äthiopien... Mit ein Grund für den Hunger dort ist, dass große Monokulturen für den Export die Kleinen entwurzelt haben. Auf die Nomaden Hirten wird sowieso keine Rücksicht genommen. Wir dürfen dann für die hungernden, ausgedörrten Kinder Spenden...

Als dann in Pelotas wieder kleine, lokale Unternehmer in den Dörfern Konserven produzieren wollten, mit ihren alten, z.T. noch erhaltenen Anlagen, wie es früher war, bevor die Konzerne monopolisierten, sahen sie sich mit prohibitiven Auflagen konfrontiert, angeblich zum Schutz der Gesundheit, in Wirklichkeit ging es um rein bürokratische Erfordernisse - jede einzelne Konserve und jedes neue Rezept, ob vom Pfirsich, Apfel, Erdbeere, usw., muss bei der Gesundheitsbehörde registriert werden. Das kostet dann, abgesehen von der Rennerei für die Bürokratie, pro Konserve und pro Rezept, so hohe Gebühren, dass es sich nicht lohnt. Zum Glück ist es uns gelungen, die jetzige Landesregierung (Arbeiterpartei) zu bewegen, dies wieder abzuschaffen.

Auf unserem Hof haben wir, je nach Jahreszeit und Zahl unserer freilaufenden Hühner, bis zu 70 Dutzend Eier die Woche. Noch müssen wir unter der Hand, illegal, nur an unsere Freunde verkaufen. Würden wir versuchen, auf den Markt zu gehen, die Eier würden alle zerstört, ohne Entschädigung. Auf unserem Ökomarkt wurden schon einmal Zehntausende von Eiern vernichtet. Seitdem gibt es dort keine Eier mehr.

Wollen wir aber legal verkaufen, müssen wir registrieren. Das kostet allein schon unerschwingliche Gebühren. Hinzu kommt, man verlangt von uns einen Raum für die Abfertigung - vier Meter hohe Kachelwände, Tische aus rostfreiem Stahl, Verbot der Wiederverwertung von Verpackung und, man stelle sich das vor, ein eigens dafür ganzzeitig angestellter Tierarzt muss immer präsent sein. Da ist der Bauer weg vom Tisch!

Man kann doch ganz klar sehen, dass solche Bestimmungen nicht von der Behörde selbst erfunden wurden. Die kommen doch von den jeweiligen Lobbies. Man könnte hier eine Riesenliste aufstellen von Auflagen die dem Kleinen, ob Bauer, Handwerker oder kleinem selbstständigen Unternehmer das Leben unmöglich machen sollen.

Noch ein Beispiel: Der Staat Rio Grande do Sul, flächenmässig etwa so groß, wie die alte Bundesrepublik, hat in seiner Mitte ein Flussnetz, fast so mächtig wie der Rhein. Bis in die fünfziger Jahre existierte darauf eine intensive Schifffahrt. Sie brachte die Produkte unserer Bauern auf dem vernünftigsten und billigsten, zum Teil auch kürzesten Weg zur Hauptstadt. Als aber dann in São Paulo die ersten großen Montagewerke für LKWs entstanden, kamen bald interessante Ergänzungen zu den Arbeitsgesetzen. Ein Brummi darf 40 Tonnen transportieren, das Gesetz schreibt einen Fahrer mit gültigem Führerschein vor und einen Begleiter. Das kann ein Achzehnjähriger ohne Fahrschein sein, vielleicht der Sohn des Fahrers, der mal zum Spaß mitfährt. Will ich aber auf dem Wasser zehn Tonnen transportieren, muss ich einen Kapitän, einen ersten Offizier, einen Koch und einen Matrosen an Bord haben. Das führte dazu, dass die gesamte Flotte kleinerer und mittlerer Schiffe verschrottet wurde. Angeblich sollte das Gesetzt doch Arbeitsplätze für Flussmatrosen schaffen. Diese haben sich genauso protestlos nacheinander zurückgezogen, wie die entwurzelten Bauern.

Der geduldige Leser verzeihe mir die vielen Sprünge. Aber ein so total vernetztes System kann man nicht direkt linear beschreiben.

Gehen wir zurück zur Hähnchenmast. Auch wenn ich Bauer bin und selber Mais anbaue, ich darf meinen eigenen Mais nicht verfüttern, ich darf ihn aber für die Kraftfutterfabrik an den Konzern verkaufen - zu deren Bedingungen, versteht sich! In einer früheren Phase, das liegt fast zwanzig Jahre zurück, durften die Mäster noch ihr eigenes Futter produzieren und selber mischen. Bis etwas später ließ man ihnen auch die Brutmaschinen für die Küken, wenn auch nur die von der Firma gelieferten Eier dafür in Frage kamen. Die Maschen der Machtstrukturen wurden aber jedes Jahr enger. Jetzt überlegen sich die Hühnerkonzerne schon wieder neue, noch engere Formen von Knebelkontrakten. Beim Tabak ist es schon so, dass der Bauer, wenn er das letzte Blatt der Ernte beim großen Tabakkonzern abliefert, er schon wieder einen Kredit aufnehmen muss, damit er bis zur nächsten Saison nicht verhungert.

Es geht den großen Firmen auch um die Umgehung der Arbeitsgesetze. Der "Produzent" mag den Eindruck haben, er sei selbstständiger Unternehmer, tatsächlich ist er Arbeiter ohne sicheren Lohn, ohne feste Arbeitszeiten; wenn notwendig muss er um Mitternacht raus, die ganze Familie muss helfen. Er hat keinen Feierabend, keine arbeitsfreien Wochenenden, keinen bezahlten Urlaub, und er muss seine Sozialversicherung ganz selber tragen. Außerdem liegen alle Risiken bei ihm: die biologischen, die klimatischen (z.B. Hitzewellen, die jedes Jahr im Sommer großen Schaden anrichten können) und die finanziellen. Würde die Hühnerfirma mit fest angestellten Arbeitern operieren, alle Risiken selber übernehmen, wie jeder kleine Unternehmer das tun muss, ihre Kosten würden sich wohl mehr als verdoppeln. Hühnerfleisch und Eier wären viel teurer.

Soeben lese ich in unserer heutigen Tageszeitung, dass zwei große Hühnerkonzerne, AVIPAL und FRANGOSUL, sich geeinigt haben, einen Teil ihrer Zulieferer auszutauschen, um ihre Territorien zu arrondieren und Transportkosten zu sparen. Die Mäster wurden nicht gefragt, werden auch sicher nicht an den gesparten Kosten beteiligt. Ist das nicht schon eine Form von Leibeigenschaft?

Hier kann man klar sehen, welche Logik dahintersteckt. Wie die angeblich billigen Produktionsweisen in der modernen Nahrungsmittelindustrie auf Raubbau an Mensch und Natur basieren.

In einem Interview für VEJA, (Nr.7/2001), ein brasilianisches Nachrichtenmagazin, hat Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt sinngemäß gesagt, wenn in der Dritten Welt mit "Made in Germany-Qualität", bei geringeren Kosten produziert werden kann, dann müsse eben der Arbeiter in Europa sich mit niedrigeren Löhnen abfinden oder andere Arbeit suchen. Ganz die Logik der Globalisierung, die er für unvermeidbar und wünschenswert hält - Ausbeutung der Rohstoffe und Arbeitskräfte in der Dritten Welt und Abbau der sozialen Errungenschaften in der Ersten.

Bleiben wir noch bei den Hühnern. Und wie ist es mit den Küken? Es handelt sich hier eigentlich nicht mehr um Rassen, es sind Hühnermarken. Die alten Rassen sind überall im Aussterben. Bürger, die sich Gedanken machen, haben schon Vereine gegründet für ihre Erhaltung. Es sind patentierte Hybridhühner, wie beim Hybridmais.

Ich stelle leider immer wieder fest, dass Laien, oft auch Landwirte, nicht wissen, wie Hybridmais entsteht und was er als Instrument der Machtkonzentration für große Konzerne bedeutet. Da es für das Thema dieser Arbeit von fundamentaler Relevanz ist, will ich es erklären.

Ende der vierziger/Anfang der Fünfziger Jahre haben Pflanzenzüchter gelernt, dass man durch Kreuzen superreiner Sorten interessante Eigenschaften bekommt. Bei Mais ist Inzucht durch Selbstbestäubung sehr einfach. Man stülpt einen Kunststoffsack über die Pflanze, dann kann der Pollen aus der männlichen Ähre an der Spitze nur auf den weiblichen Pinsel weiter unten am Kolben derselben Pflanze fallen. Nach acht oder zehn Generationen hat man Pflanzen, die für jede Erbanlage nur eine Form haben, absolut reine Sorten. Diese Pflanzen sind meist schwach und unansehnlich. Kreuzt man aber solche, getrennt gezüchtete Linien miteinander, bekommt man, was Genetiker die "Kraft des Bastarden" nennen, hoch produktive, einheitliche Pflanzen, eine wahre Freude - für den Anblick, für den Ertrag, für den Mähdrescher.

Die Sache hat aber einen Haken. Wenn man die Saat vom Hybridmais aussähet mendelt er sich aus (entsprechend der Erbgesetze von Mendel), man bekommt in der zweiten Generation uneinheitliche Pflanzen. Für die Züchter und die Bauern war das sicher eine Enttäuschung, für den Samenhändler aber, gerade richtig! Der kann jetzt dem Bauern jedes Jahr neue Saat verkaufen. Hier in Brasilien sind wir inzwischen soweit, dass ein Bauer, wenn er eine seiner alten, noch nicht ausgestorbenen Sorten, anbauen will, dafür von der Bank keinen Kredit bekommt, den gibt es nur für die "registrierten" Hybridsorten.

Zum Glück ist diese Technik bei den meisten Pflanzen nicht praktisch. Bei Bohnen oder Kartoffeln z.B. oder bei Getreide, müsste man jede Blume einzeln mit der Hand bestäuben. Wäre es möglich, wir hätten längst in der Landwirtschaft nur noch Hybridsorten - natürlich in Händen von Großkonzernen.

Inzwischen ist es aber auch nicht mehr nötig, die Gentechnik bietet andere Wege. Die Erbanlagen werden direkt, auf Molekularebene, manipuliert, die neuen Sorten werden patentiert. Wer sie "illegal" anbaut, wird bestraft. In USA haben schon Bauern ihren Hof aufgeben müssen, weil sie von Monsanto prozessiert wurden, wegen unerlaubten Anbaus. Die Geldstrafen gehen in die Zehntausende und sogar Hunderttausende. Heute, 29.III.01, werden in unseren Zeitungen die ersten Fälle gemeldet von Landwirten, die mit hohen Geldstrafen belegt wurden, weil sie "illegal" patentiertes Saatgut angebaut hatten. Dieselben Pflanzer hatten protestiert, als Umweltaktivisten gegen genmanipuliertes Saatgut kämpften. Sie glaubten, man wolle sie daran hindern, am Fortschritt teilzuhaben...

Die Hybridhühner kann der Bauer sowieso nicht mehr sinnvoll und artgleich selbst vermehren. Das können oft die Konzerne nicht. Sie müssen die Elterntiere immer neu importieren. Die Eier für die Brutmaschinen, die dem Mäster die Küken liefern, werden produziert in Spezialschuppen. Dort haben die Hühner mehr Freiheit für Bewegung. Auf zehn Hennen kommt ein Hahn und die Legehennen können in die Nester klettern oder fliegen.

Zum Kontrast: in den Eierfabriken für den menschlichen Konsum dagegen - dort sind es andere, spezielle hybride Hühnermarken - sitzen oft je drei Hennen auf einem Rost. Der Käfig ist so eng, dass sie die Flügel nicht öffnen können. Das arme Huhn kann nicht einmal scharren - seine Lieblingsbeschäftigung. Die Krallen wachsen dann manchmal zu Spiralen aus und fangen sich unten in den Gittermaschen. Wenn sie ihren "Dienst" beendet haben, meist nach etwa 20 Monaten, kommt es vor, dass man sie mit der Zange vom Rost befreien muss - eine grotesk-obzöne Situation! In Deutschland soll es Systeme geben, die es ermöglichen, dass sie dann mit einem mächtigen Staubsauger herausgeholt werden, noch grotesker.

Bei uns in Brasilien werden die ausgedienten Legehennen noch dem menschlichen Konsum zugeführt. In Deutschland, erzählte man mir vor Jahren, gingen sie in die Anlagen für die Beseitigung von Tierkörpern. Vielleicht landeten sie auch im Kraftfutter für Rinder - oder Hühner!

Das alles müssten unsere Schulkinder gezeigt bekommen, auch die Erwachsenen, die noch selbstständig denken, damit sie lernen, in welcher Form von Zivilisation wir leben. Bei der heute üblichen Entfremdung durch die Verstädterung, glauben sie oft, die Eier entstünden in den Regalen des Supermarkts und die nackten, ausgenommenen Hühnerleichen in der Tiefkühltruhe. Die meisten Menschen wissen heute nicht, woher ihre Nahrung kommt und auf welch absurde Weise sie entsteht Und wollen es oft nicht wissen...

In den Eierfabriken rollen die Eier auf ein Fließband und es sind natürlich alles unbefruchtete Eier. In den engen Käfigen ist ja kein Platz für Hähne.

In ganz modernen Anlagen wird der Kot mit Wasser abtransportiert. Dadurch entsteht Hühnergülle, ja Hühnergülle, man stelle sich das vor!

Zurück zu der Eierproduktion für die Mastküken. Die Elterntiere, die ja reinrassig sein müssen, müssen immer neu importiert werden. Dafür gibt es in USA und Holland spezialisierte Firmen. Diese sind eigentlich die Kaiser in diesen Imperien, die Hühnerkonzerne sind die Könige. Nun gibt es aber Länder, die keinen Import von lebenden Tieren zulassen. Dort kann man eine interessante Beobachtung machen. Die Hühnerfirmen importieren dann Eier, jeweils zwanzig für je zehn Hennen und zwei pro Hahn. Bei Eiern weiß man ja nicht, ob Männchen oder Weibchen. Die Eier werden dann auf dem gesamten Transportweg von zwei oder drei "Spezialisten" begleitet und 24 Stunden bewacht, bis zuletzt beim Schlüpfen in der Brutmaschine. Diese Fachleute, meistens Japaner, verstehen die Kunst des "Sexens" bei Küken, sie können auf Anhieb, bis zu sechzig in der Minute, männliche von weiblichen Küken trennen. Wenn die Vöglein schlüpfen, werden bei den Eiern für die Hähne sofort sämtliche Weibchen und umgekehrt bei den Hennen, sämtliche Männchen vernichtet, sonst hätte ja die lokale Firma Zugang zu den Großeltern, brauchte nicht mehr zu importieren...

Man muss es immer wieder sagen, das hat doch alles mit Lösen des Welthungerproblems nichts zu tun. Es geht um ökonomische Macht!

Es steckte natürlich nicht unbedingt Boshaftigkeit dahinter. Die Strukturen sind systemisch gewachsen, am Anfang ziemlich spontan. Sie wurden dann immer mächtiger. Wer Macht gewinnt, versucht sie technisch, ideologisch und politisch zu untermauern.

Wie ist es dazu gekommen? Kein Vernünftiger Bauer wäre doch auf den Gedanken gekommen, Hühner so einzusperren und mit gutem Korn zu füttern. Es kam schrittweise. Während des letzten Weltkrieges hat die amerikanische Regierung den Körneranbau, besonders Mais, subventioniert. Es kam zu großen Überschüssen, die der Staat zu festen Preisen aufkaufen musste. Das führte zu Forschungsaufträgen für die Suche nach "nicht menschlichem Konsum von Korn". Man kam auf den Gedanken, Tausende oder Zehntausende von Hühnern in engen Schuppen einzusperren und mit reinem Korn zu mästen. Zunächst waren es meistens Betriebe von Einzelpersonen. Als dann aber jeweils Tausende von Hähnchen gleichzeitig fertig waren, brauchte man Betriebe für Schlachtung en masse. Es entstand das große Schlacht- und Kühlhaus für Hühner.

Zum nicht menschlichen Konsum von Nahrungsmittel sollte man als Zwischenbemerkung noch erwähnen, dass neuerdings schon Kunststoffe aus Korn, z.B. Mais, hergestellt werden und nach weiteren Möglichkeiten gesucht wird aus Getreide ähnliches zu machen. Sie sollen halt biologisch abbaubar sein, damit die großen Orgien von Kunststoffverpackung nicht eingeschränkt werden müssen.

Meine Mutter kaufte noch den Hahn für den Sonntagsbraten lebendig auf dem Wochenmarkt und schlachtete ihn selber im Hinterhof. Öfter war es auch eins der Hühner, die wir im Garten hielten und mit Grün und Küchenabfällen ernährten. Da gab es weder Abfälle noch Verschmutzung der Umwelt. Was nicht von Katze und Hund verzehrt wurde, z.B. die Federn, verbesserte den Kompost. Das bisschen Blut war gut für das Bodenleben. Heute bekommen allerdings sogar Hunde und Katzen schon Fabrikfutter, peletisiert aus Kunststofftüten, manchmal sogar schon besonderes Futter aus Konservendosen. Wie weit wird sich wohl diese ganze Perversion noch entwickeln?

Anders als die vielen Hausfrauen, machten die großen Schlachthäuser - bis zu mehr als hunderttausend Hähnchen pro Tag - eine Riesenschweinerei. Sämtliche Abfälle, einschließlich das Blut, gingen direkt in den Bach. Von weitem konnte man die in der Höhe segelnden Aasgeier beobachten und wie sie dann am Bachrand die Abfälle aus dem Wasser fischten. Durch Druck der Bürgerinitiativen und dann der Umweltbehörden ist es heute etwas besser. Ein Teil der Abfälle geht allerdings wieder in das Kraftfutter, (Kannibalismus!), ein Teil wird zu Wurst und dergleichen verarbeitet, der Rest geht in Absetzbecken. Der abgesetzte Schlamm kommt meistens auf Deponie, statt Felder zu düngen.

Eine weitere Entwicklung führte zur Fabrik für Kraftfutter. Die übernahm dann natürlich das Schlachthaus. Später kam der Betrieb für die Küken dazu. Die erste Firma, die auf diese Weise in Südbrasilien groß wurde, die SADIA, mit Sitz in Concordia, Paraná, kaufte dann ein Flugzeug um die geschlachteten Hähnchen direkt in São Paulo zu verkaufen. Aus dem einen Flugzeug wurde später die zweitgrößte brasilianische Fluglinie, die TRANSBRASIL.

Solche Entwicklungen wurden natürlich immer tüchtig vom Staat gefördert. Eigentlich hätten wir Antitrustgesetze gebraucht, zum Schutz der Bauern und Regelungen für den Schutz des Verbrauchers und der Umwelt. Beratung für ökologische Produktionsweisen wären damals kaum nötig gewesen. Die Bauern und Agronomen kamen automatisch dahin. Als ich, von 1945 bis 1950 in Brasilien Landwirtschaft studierte, dann 1951/52 in den USA, war unsere Richtung ganz organisch und ökologisch. Das Wort Ökologie wurde kaum je benutzt, wir dachten und handelten aber meistens ökologisch.

Was aber heute von den hiesigen landwirtschaftlichen Hochschulen kommt, ist eine Katastrophe. Die jungen Leute lernen, mit wenigen Ausnahmen, für jede Kultur und Situation, ein so genanntes "technisches Paket". Bei der Chemie waren das früher die "Spritzkalender". Zu festen Zeitpunkten sollte vorsorglich gespritzt werden, egal ob Schädlingsbefall konstatiert wurde oder nicht. Die Studenten werden auch nicht motiviert, biologisch-ökologisch zu denken. Manche der Professoren machen sich sogar über ökologische Einwände lustig. Schlimmer noch, intellektuelle Neugierde wird den jungen Leuten ab erzogen. Zum Glück wächst der Protest der Studenten.

Mit den heutigen wissenschaftlichen Kenntnissen, mit effizienter Technik und der noch überlebenden alten Bauernweisheit, könnten wir eine weit gesündere und nachhaltigere Landwirtschaft machen als es die besten alten Bauernkulturen konnten, mit weniger harter körperlicher Arbeit und mit sozialer Gerechtigkeit. Die Bewegung des organischen Landbaus, die jetzt, weltweit einen Aufschwung erlebt, der sich hoffentlich nicht mehr bremsen lässt, ist bereits der Katalysator für den notwendigen Umschwung.

Die moderne Landwirtschaft nennt sich wissenschaftlich. Davon ist sie weit entfernt.

Eine solche Behauptung basiert auf der heute üblichen, von der Technokratie geförderten Verwechslung zwischen Wissenschaft und Technik. Dies ist wohl das Grundaxiom der herrschenden Entwicklungsmythologie. Es wird so nie offen dargelegt, geht aber implizite aus praktisch allen technologischen und ökonomischen Diskussionen hervor.

Wissenschaft kann Technik ermöglichen, sie diktiert sie nicht! Im technischen Detail müssen sich Lösungen natürlich strikte an wissenschaftliche Erkenntnisse halten, das heißt, an die Gesetze der Natur. Die Form oder Struktur der einzelnen Artefakte, Instrumente, Maschinen, Methoden, der technologischen und legalen Infrastrukturen aber, werden bestimmt durch die Nutznießer, durch deren Interessen. Das ist Politik! Wird etwa geplante Veralterung, wie in der Automobilindustrie üblich, von der Wissenschaft, von den Naturgesetzen, diktiert??? Noch nicht einmal von vernünftiger Ökonomie! Dabei geht es doch um Beschiss am Kunden. In sauberer Wissenschaft gibt es keinen Betrug - per definitionem.

Wissenschaft ist (sollte sein) der saubere, absolut ehrliche, ehrfürchtige Dialog mit dem großen Geheimnis - mit der Natur, dem Universum, mit dem Kosmos; wir können auch Gott sagen. Wie wir es nennen wollen, ist eine semantische Frage.

Wissenschaft und Technik sind heute natürlich untrennbar. Je komplexer die Technik, desto tiefer gehende Wissenschaft braucht sie. Und je tiefer die Wissenschaft vordringt in das große Geheimnis der Schöpfung, desto komplexere Technik braucht sie: immer schärfere Messinstrumente, Mikroskope, Teleskope, Teilchenbeschleuniger und vieles, vieles mehr. Aber Wissenschaft ist im Grunde kontemplativ, es geht um Schauen, verstehen wollen, sich wundern, um Ehrfurcht; Technik dagegen ist impositiv, sie will was ändern, sich durchsetze, sie will herrschen - "die Natur beherrschen".

Technik ist in dem Masse gut oder schlecht, wie ihre Ziele gut oder schlecht sind. Leider hat heute das technokratische Establishment die Wissenschaft vereinnahmt und pervertiert sie. Es lenkt die Forschung fast nur noch in für sie nützliche Richtungen. Die herrschende Mythologie geht nur noch davon aus, der einzige, wahre Zweck der Wissenschaft sei, den technischen Fortschritt voranzutreiben.

Was soll nun an der modernen Landwirtschaft wissenschaftlich sein? Die Behauptung der Wissenschaftlichkeit setzt doch voraus, dass die Methoden unvermeidlich sind, weil eben an der Wissenschaft orientiert. Daran halten sich die Agrarexperten aber nicht. Schon Liebig hat in seinen alten Tagen darauf hingewiesen, wie wichtig Humus im Boden ist; dass die Probleme der Pflanzenernährung nicht allein mit wasserlöslichen Nährsalzen gelöst werden können. Ich habe aber in der chemischen Industrie noch erlebt, dass deren "Wissenschaftler", die Liebigs Werk sehr wohl kannten aber nur teilweise zum Vorbild nahmen, außerdem Zugang zu den neuesten Erkenntnissen zum Bodenleben hatten, behaupteten, Humus und Bodenleben seien für eine moderne Landwirtschaft irrelevant. In der praktischen Beratung handeln sie heute meistens noch so.

Gerade im chemischen Pflanzenschutz, werden wichtige und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse nicht berücksichtigt, weil sie nicht ins Konzept des großen Geschäfts passen.

Persönlich habe ich jahrelang die Entwicklung neuer Agrargifte aus der Nähe beobachten können. Es geht um empirische Entwicklung von Techniken, meist sind es patentierbare Produkte, mit denen man große Geschäfte machen kann. Das Patent und die eingetragene Marke sind für die chemische Industrie das wichtigste Ziel in ihrer "Forschung". Einfache Lösungen, die der Landwirt selbst erarbeiten und anwenden kann, interessieren da nicht, sie werden ignoriert, wenn nicht demoralisiert oder sogar bekämpft..

Wie ist es zu der mächtigen Branche der Agrarchemie in der Großchemie gekommen? Es ging nicht von den Bauern aus, es kam auch nicht von freier Wissenschaft, es hatte mit Kriegswirtschaft zu tun.

Als der erste Weltkrieg ausbrach, haben die Alliierten die deutschen Häfen blockiert. Das sperrte den Zugang zum Chilesalpeter. Nitrate waren aber unentbehrlich für die Herstellung von Sprengstoffen. Leider - muss man heute wohl sagen - gab es bereits ein Verfahren zur Gewinnung von Stickstoff aus der Luft - die Ammoniaksynthese, das Haber-Bosch-Verfahren. Bis dahin galt es wohl als unökonomisch, durch den Krieg wurde es aber industriell großtechnisch ausgebaut. Das Massenschlachten währte vier Jahre. Mehr als zehn Millionen Soldaten beider Seiten, meistens blutjunge Kerle, oft von der Schulbank in den Schützengraben getrieben, mussten ihr Leben lassen, oft auf die grausigste Weise. Wozu? Man lese Erich-Maria Remarque. Die Schilderungen meines Vaters, der die Schlacht von Verdun überlebt hat, sitzen unlöschbar eingebrannt in meinem Langzeitgedächtnis.

Ohne Haber-Bosch-Verfahren damals, sähe die Welt heute anders aus. Der Krieg hätte sich nicht richtig entwickeln können, es wäre nicht zu Versailles gekommen, sicher nicht zu Hitler. Hier sehen wir eins der vielen Beispiele, wie eine bestimmte Technik, für bestimmte Absichten genutzt, die Weltgeschichte schwerwiegend beeinflussen kann, ohne dass am Anfang die Konsequenzen vorauszusehen waren..

Was hat das mit Landwirtschaft zu tun? Als der Krieg zu Ende war, hatte die Industrie große Kapazitäten und unverkäufliche Lagerbestände. Man machte daraus Stickstoffdünger und drehte es den Bauern an. Stickstoffdünger wirken in der Landwirtschaft wie Drogen, man kommt nicht mehr leicht davon weg. Je mehr man sie anwendet, um so mehr braucht man sie. Es gab zwar vorher schon Kunstdünger, basierend auf Liebigs Erkenntnissen, aber sie wurden sehr begrenzt angewendet. Nun entwickelte sich ein gewaltiges Geschäft. Hunderte von Millionen Tonnen Kunstdünger werden heute weltweit auf die Äcker gebracht.

Während des ersten Weltkrieges kam es zur Anwendung von Giftgasen. Das Ergebnis war katastrophal, auch für die Anwender. Der Wind drehte sich, das Gas kam zurück zum deutschen Schützengraben. Es tötete ebenso viele Deutsche, wie Franzosen. Es wurde nicht mehr angewendet. Während des zweiten Weltkrieges kam es zwar nicht zum Gaskrieg, es wurde aber fieberhaft geforscht. Bayer entwickelte unter anderem Giftgase auf Basis Phosphorsäureesther.

Kriegsende: selbe Geschichte. Große Kapazitäten für Produktion, große Lagerbestände, kein kriegerischer Absatz mehr. Jemand überlegte sich: "Was Menschen tötet, tötet auch Insekten". Die "Produkte" wurden umformuliert zu "Insektiziden". Diese konnte man wieder wunderbar den Bauern andrehen. Das Geschäft bekam zweistellige Wachstumsraten. Es wurde dann nach immer neuen Bioziden gesucht, ganz empirisch. Jede neue Substanz, die in den Chemielabors anfiel, wurde getestet, auf ihre Wirkung als Insektizid, als Fungizid, Herbizid, Nematizid, Bakterizid und andere -zide. Was günstig aussah, wurde zu Handelsprodukten weiterentwickelt. Der Staat half tüchtig mit. Die Beratungsstellen unterwarfen sich total. Die landwirtschaftlichen Hochschulen und Versuchstationen akzeptierten die Logik, wie sie von der Industrie diktiert wurde.

Nach dieser Logik sind die "Feinde" auf dem Acker, im Obst, Gemüse oder Garten, auch Schmarotzer auf unseren Haus- und Nutztieren, oder unerwünschte Geschöpfe in unseren Wohnungen, wie Spinnen, Fliegen oder Schaben und dergleichen, willkürliche, tollwütige Feinde, die wir möglichst ausrotten sollten. Soweit wir das nicht schaffen, müssen wir sie mit unseren schärfsten Waffen bekämpfen.

Es weiß aber doch jeder aufmerksame Beobachter der Natur, ob Biologe oder Laie, dass diese Geschöpfe eben nicht willkürlich angreifen. Wenn dem so wäre, gäbe es längst kein Leben mehr, jede Art wäre längst von ihren Feinden ausgerottet und diese wären verhungert.

Wir haben heute gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die zeigen, was organische Bauern schon lange wußten, intuitiv und durch direkte Beobachtung. Man lese Alwin Seifert, "Gärtnern, Ackern ohne Gift", oder Sir Albert Howard, "My agricultural testament". Es geht um die Anfälligkeit von Pflanzen für Schädlinge oder deren Widerstandsfähigkeit, wie diese bestimmt wird vom Zustand des Stoffwechsels und wie man diesen einigermaßen - mit besseren Ergebnissen und geringeren Kosten, als mit den Giften - steuern kann. (Siehe Francis Chaboussou, Pflanzengesundheit und ihre Beeinträchtigung, C.F. Müller, 87, ISBN 3-7880-9741-8).

Die Chemie ist seit anderthalb Jahrzehnten im Bilde, sie ignoriert aber systematisch, versucht schon gar nicht, zu widerlegen. Einer von deren "Pflanzenärzten" sagte einmal zu mir: "Das wollen wir nicht einmal ignorieren." Ganz klar, mit den alternativen Methoden, die jeder Bauer oder Gärtner selbst, fast kostenlos, entwickeln und anwenden kann, lassen sich keine großen Umsätze machen. Im Gegenteil, große Umsätze im Giftgeschäft würden zusammenbrechen. In meinem Text "Crops and Pests - are poisons the answer" und "Plädoyer für eine giftfreie Landwirtschaft" gehe ich darauf im Detail ein. (www.fgaia.org.br)

Es lohnt sich, noch zu erwähnen, wie es zum DDT kam. Auch das DDT kam durch den Krieg in die Landwirtschaft. Im Pazifikkrieg taten sich die Amerikaner schwer mit Malaria. DDT, ein strukturell elegantes Molekül, aus zwei Phenolringen mit je einer Chlorspitze und einem mit drei Chlor geschmückten, dazwischen eingekeilten Ethan (Dichlor Diphenil Trichlorethan), war eine Laborkuriosität. Als Miller, bei Geigy, beobachtete, wie Fliegen, die sich auf ein Muster auf seinem Schreibtisch setzten, eingingen, und er überzeugt war, dass das Zeug für Menschen unschädlich ist, machte er das amerikanische Militär darauf aufmerksam. Er bekam später den Nobel Preis dafür.

Es entstanden sofort potente Produktionsanlagen und DDT wurde massiv auf den Inseln angewendet. Soldaten und Bevölkerung wurden praktisch damit gebadet. Es gab noch kein Fernsehen, es wurde uns aber in der Wochenschau, im Kino gezeigt. Bei Kriegsende, wieder eine ähnliche Geschichte: Hinein in die Landwirtschaft; allerdings auch weltweit zur Bekämpfung von Malaria - gegen Schnaken. Bis heute! Auch auf sinnlose Weise. Es werden weiter die Menschen und deren Wohnungen bestäubt, statt die Herde der Schnaken zu beseitigen und den Leuten zu zeigen, wie man sie vermeidet.

Im Fall Herbizide gab es ebenfalls eine interessante aber auch grausige Geschichte. Deutschland war bereits besiegt, die Japaner kämpften noch. Ein amerikanischer Frachter befand sich auf der Fahrt nach Manila, mit einer Ladung von an die zehntausend Tonnen bestimmter Formulierungen auf Basis 2,4-D, 2,4,5-T und Pichloram, potente Phytozide (Pflanzenvernichter), mit denen den Japanern, aus der Luft, die Ernten zerstört werden sollten. Das Schiff wurde zurück befohlen bevor es ankam. Eine andere Gruppe von Amerikanern war schneller. Nach Hiroshima und Nagasaki unterschrieben die Japaner den bedingungslosen Waffenstillstand.

Wieder die selbe Geschichte: Aus totalen Pflanzenvernichtern wurden, mit neuen Formulierungen, selektive Herbizide, zumal sich herausstellte, dass 2,4-D und 2,4,5-T bei niedrigen Konzentrationen breitblättrige Pflanzen töten, Gräser aber nicht. Was die Militärs nicht mehr wollten, der Bauer sollte es kaufen.

Später, in Vietnam kamen diese infamen Substanzen (die damals auch noch stark mit Dioxinen kontaminiert waren, was zu schrecklichen Missgeburten in der Bevölkerung und auch bei Kindern amerikanischer Soldaten führte) wieder zu kriegerischem Einsatz. Zehntausende von Quadratkilometern intakten Regenwaldes wurden mit AGENT ORANGE und anders farbigen Formulierungen besprüht, angeblich nur zur "Entlaubung" und Sichtbarmachung des Feindes aus der Luft. Tatsächlich kam es zur totalen Vernichtung der Wälder.

"Entlaubung" ist so ein typischer Euphemismus der Technokratie - hässlichen Dingen oder Verfahren gibt man gut- oder harmlos klingende Namen

Meines Wissens, wird heute noch in Amazonien, auf den für Viehweiden gerodeten Urwaldflächen 2,4,5-T (Formulierungen unter dem Markennamen TORDON) zur Bekämpfung von Gestrüpp gesprüht, obwohl verboten. Die Firmen, die das Zeug liefern, wissen sehr wohl, dass es verboten ist. So ist es auch mit DDT. Als in Deutschland sogar die Produktion verboten wurde, hat man eine Anlage eben nach Brasilien gebracht. Auf einem Markt in Schwarzafrika sah ich noch vor wenigen Jahren, wie DDT auf ausgelegte Fische und Fleisch zum menschlichen Verzehr gestreut wurde - gegen Fliegen. Die Industrie weiß auch genau, was mit ihrem Gift geschieht. Hätte sie eine Spur von Gewissen, sie würde solches unterbinden.

Man sollte nicht vergessen, dass auch die Monokultur, aus der letztendlich sich die moderne Landwirtschaft entwickelte, nicht vom Bauerntum erfunden wurde und auch nicht von der Agronomie und Agrarforschung, zu dieser kam es ja gerade erst durch die großen Plantagen. Auch hier muss man den Ursprung in Kriegswirtschaft suchen. Aber nicht in den beiden schlimmen europäischen Bruderkriegen. Es war eine andere, niederträchtige, Form von Krieg, es ging um die koloniale Plünderung, die von Europa ausging, sich über den Rest der Welt erstreckte, "im Namen des Christentums und der Zivilisation".

Als es den Engländern gelang, Indien militärisch und durch Korruption lokaler Fürsten zu unterwerfen, wollten sie natürlich möglichst viel Beute machen, und zwar auf Dauer. Beim damals gesunden indischen Bauerntum, welches das Volk gut und vielseitig ernährte, war nicht viel zu holen. Die Briten wollten große Mengen Baumwolle, Tee, Zucker, Gewürze, Öle, auch Korn, usw. Aus Berichten aus jener Zeit geht hervor, dass die indischen Bauern, den europäischen zum Teil weit überlegen waren. Dasselbe galt für die indischen Handwerker, die damals weit feinere Stoffe produzierten. Daraufhin hat man einen großen Teil des indischen Bauerntums und der Handwerker, besonders der Weber, entwurzelt, mit allerlei Auflagen, Steuern, Zöllen und mit Flurumstrukturierung zugunsten traditioneller und neuer, gefügiger Fürsten, sowie britischer Kolonialherren. Indien musste daraufhin Stoffe aus England importieren und dorthin Baumwolle exportieren, natürlich nicht zum Vorteil indischer Unternehmer, es wurde alles besorgt von der East India Company, die von der Krone ein totales Monopol konzediert bekam.

Allerdings hat man dann auch die britischen selbstständigen Weber kaputt gemacht. Die von Dampfmaschinen angetriebenen automatischen Webstühle in Händen von Industrieherren machten sie arbeitslos und stürzten sie in tiefes Elend. Der Staat unterstützte die Industrieherren und bekämpfte die arbeitslosen, hungernden Weber aufs schärfste. Man lese die Geschichte der Luddite-Bewegung. Aus technokratischer Sicht waren es ja "Maschinenstürmer", die sich gegen technischen Fortschritt stemmten. Eigentlich hätte man doch den Webern helfen müssen, die neuen Maschinen genossenschaftlich zu betreiben. Man hätte auch kleinere Maschinen machen können. Die Weber mit ihrer alten Tradition hätten sicher bessere Qualität gemacht, als das grobe Zeug, das die Engländer den Indern dann aufzwangen.

Wir haben hier ein frühes Beispiel dessen, was sich heute die Globalisierung vornimmt: Ausbeutung der Dritten Welt und Abbau der sozialen Errungenschaften in der Ersten, wie oben im Interview von Ex-Bundeskanzler Schmidt gepredigt. De facto geht es doch um eine neue, subtilere Form des Kolonialismus. Man sollte es ruhig Neo-Kolonialismus nennen.

So kam es zur Plantagenwirtschaft für den Export in das "Mutterland". Millionen selbständige Bauern mussten aufgeben. Sie landeten im Elend oder mussten als Tagelöhner auf den großen Plantagen malochen. Es gab schlimme Hungersnöte. Allein von 1825 bis 1900 sind laut britischer Kolonialberichte insgesamt mehr als 30.000.000 Menschen in Indien verhungert (Famines and Land Assessment in India,1900). Gleichzeitig wurden aber Nahrungsmittel nach England exportiert. Man lese die Werke von Josué de Castro (vierziger und fünfziger Jahre) über den Hunger in der Welt und wie er meistens ausgelöst wurde durch Kolonialwirtschaft und Machtstrukturen, die es den Menschen unmöglich machten, für sich selbst zu sorgen.

In all den anderen britischen, in den holländischen und französischen Kolonien war es nicht anders. Die Deutschen kamen später, versuchten, die von den traditionellen Kolonialmächten noch nicht unterworfenen Gebiete, wie z.B. das heutige Namibia, das sie dann Deutsch-Südwest Afrika nannten und andere, für sich zu erobern. Bis zum ersten Weltkrieg waren sie bei diesem makabren Spiel tüchtig dabei.

Spanier und Portugiesen begannen mit ihren Raubzügen schon weit früher, kurz nach der so genannten "Entdeckung" um 1500, in Süd- und Zentralamerika, Karibik und Mexiko, auch Afrika und später auf den Philippinen. In all diesen Kolonien kam es zu großen Plantagen - Zuckerrohr, Kaffee, Kakao, abgesehen von der Plünderung der natürlichen "Ressourcen" und der tollwütigen Zerstörung der großen Kulturen.

Die Plantagenwirtschaft im Süden Nordamerikas, in Zentral- und Südamerika führte außerdem zu einer der greulichsten Kapitel der menschlichen Geschichte, es kam zur Sklavenwirtschaft mit Afrikanern, und sie war mit einer der wichtigsten Gründe für die Ausrottung hunderter von Indianerstämmen. Allein in Brasilien, schätzt man, sind ca. fünf Millionen Indianer umgekommen, mehr als fünfhundert Sprachen sind für immer verschwunden. In ihrem Sklavenmärtyrium sind auch Millionen Schwarze umgekommen.

Nicht viel anders als bei Hitler, lag diesen vielen kleinen und großen Holokausten die Vorstellung von Unter- und Übermenschen zugrunde. Offiziell und in den Schulen wird es aber kaum so gesehen. Noch bis in die fünfziger und sechziger Jahre wurde Massenschlachten von Indianern in Cowboy-Filmen verherrlicht. Heute noch gilt der Kolonialismus in vielen Geschichtsbüchern für Kinder, und Erwachsene, als zivilisatorischer Prozess. Brasilianische Geschichte wird in den meisten Schulen immer noch gelehrt, als beginnend 1500, mit der Entdeckung durch Pedro Alvares Cabral. Als Symbol gilt das Gemälde von der ersten Messe am Strand, der Altar mit Kreuz umgeben von staunenden, nackten Indianern, die nun, zu ihrem Wohle, zivilisiert und zum Christentum bekehrt werden sollten. Die kleinen Gruppen in Brasilien, die es wagten zur 500. Jahresfeier, im Jahr 2.000, darauf hinzuweisen, dass es doch eigentlich der Beginn eines der größten Raubzüge war, wurden kaum ernst genommen und sogar bekämpft.

Ich erwähne all dies, als Hintergrund zum besseren Verständnis der modernen Landwirtschaft; eigentlich der modernen Technologie ganz allgemein. Die moderne Agrar -"wissenschaft" geht von der Logik der Monokultur für den Weltmarkt aus. Wenn behauptet wird, es ginge um Lösungen zum Problem des Welthungers, ist es entweder Unwissen oder Heuchelei. Dieser Logik soll sich heute sogar der Familienbetrieb unterwerfen und daran geht er kaputt. Diese Logik aber ist das Fundament für die Ausweitung der Macht der transnationalen Konzerne.

Ich wagte weiter oben zu sagen, hätte man die Bauern in den letzten hundert Jahren in Europa, viel früher schon in den Kolonien, sich selbst überlassen, die Entwicklung wäre anders gelaufen, zwar langsamer und vorsichtiger, aber sie hätten sicher auch aus moderner Naturwissenschaft gelernt, sie hätten so manche moderne Technik genutzt oder selbst entwickelt. Es wären aber örtlich angepasste, vielfältige Techniken, bestimmt keine solchen, wie die oben erwähnten und was noch auf uns zukommt, z.B. mit der Gentechnik. Die Situation der Ernährung der Menschheit wäre weit sicherer. Es wäre nicht zu den gewaltigen Massen entwurzelter, verelendeter Menschen gekommen.

Wissenschaftlich fundierte, ökologisch und sozial vernünftige Landwirtschaft, müsste sich doch in die großen und kleinen Kreise der Ökosphäre eingliedern, statt sie aufzureißen, sie zu überwältigen; systematisch und nacheinander alle lebenserhaltenden Systeme zu verstümmeln, gar total abzubauen oder zu vergiften, und die Verarmung der biologischen Vielfalt voranzutreiben, wie das heute weltweit der Fall ist.

Nun predigen uns die Firmen, die mit genetisch manipuliertem Saatgut dem Bauern noch seinen letzten Rest von Selbständigkeit entreißen wollen: "We are in the life sciences", wir betreiben Lebenswissenschaften. Welch feierlicher Zynismus! Zutreffender wäre doch wohl: "We are in life commerce"

Was hat ein "Terminatorgen" wohl mit Wissenschaft zu tun? Da wird dem Landwirt eine Saat angedreht, die zwar keimt, eine Ernte bringt, deren Saat aber steril ist. Er soll für sein Saatgut ganz von der Firma abhängig werden. Da das aber die Firma zwingen würde, selbst größere Plantagen zu unterhalten, um immer neues Terminator-Saatgut verkaufen zu können, hat sie schon einen neuen Trick parat: Diese Arbeit soll der Bauer selber machen und dafür auch noch bezahlen. Er darf von der Firma ein Spezialmittelchen kaufen, das seine sterile Saat wieder keimfähig macht. Der Landwirt soll also mehr bezahlen für ein beschädigtes Saatgut und dann soll er bezahlen für die Reparatur. Früher kostete ihn sein Saatgut meistens gar nichts, außer etwas Arbeit. Das ist schon nicht mehr unanständiger Kommerz, das ist Mafia!

Monsanto hat zwar nach der weltweiten Protestwelle, die das Terminator ausgelöst hat, angekündigt, so etwas nicht mehr auf den Markt bringen zu wollen. Es wurde aber bekannt, dass von ihr über 150 Patentanträge in dieser Richtung in USA eingereicht wurden. Das amerikanische Ministerium für Landwirtschaft macht mit, hat sogar einige Patente gemeinsam mit Monsanto beantragt.

In Brasilien will Monsanto das "ROUNDUP- ready" Saatgut für Soja forcieren - eine Sojasorte, genetisch so manipuliert, dass die Pflanzen für das Herbizid der Firma, ROUNDUP, resistent sind. Der Landwirt sollte also das "Paket" Saat und Herbizid in einem Stück kaufen müssen.

Andere Firmen bieten ähnliches für Reis und sonstige Kulturen. Es werden schon Reissorten forciert, die bestimmte Vitamine und Aminosäuren, angeblich für bessere Ernährung, genetisch in den Kern einmanipuliert bekommen. Wozu eigentlich? Vollkornreis macht das doch umsonst, müsste billiger sein als der schneeweiß polierte Reis und müsste von Gesundheitsbehörden gefördert werden.

In diesem Zusammenhang - als Nebenbemerkung - lohnt es sich zu erwähnen, dass für die große Mühle der polierte Reis natürlich gewinnbringender ist, weshalb er gefördert wurde, so dass sich die meisten Menschen Reis gar nicht mehr anders vorstellen können, er muss schneeweiß sein und aussehen, als sei er aus Marmor. Die Mühle kassiert einen Aufreis für das Polieren und hat einen zusätzlichen Gewinn mit dem Verkauf der Kleie an die Fabriken für Tierfutter. Jetzt sind wir soweit, dass Bürger, die sich Gedanken zu ihrer Gesundheit machen, für den unpolierten Vollkornreis einen Aufpreis bezahlen müssen, obwohl er die Mühle weniger kostet, weil ja Polieren wegfällt.

Zum Glück stoßen Monsanto und die anderen Firmen, die den Landwirten gentechnisch verändertes Saatgut aufzwingen wollen, auf wachsenden Widerstand. Es wurden sogar einige ihrer Versuchsfelder von Demonstranten in Zusammenarbeit mit unserem Sekretariat für Landwirtschaft vernichtet. Der Staatssekretär war persönlich dabei; auch Bové, der französische Kämpfer gegen das Bauernsterben - weshalb er dann des Landes verwiesen wurde. Er war zu der Zeit hier, als Teilnehmer am Weltforum gegen die Globalisierung. (mehr als zehntausend Teilnehmer, 120 Länder vertreten. Schirmherr - unsere Landesregierung) Unsere Bundesregierung fördert, unsere Landesregierung bekämpft genetisch manipulierte Kultivare.

Leider aber verstehen viele der Aktivisten in Umwelt und sogar der Landwirte oft nicht, worum es wirklich geht. Die Gefahr liegt ja weniger in gefährlicher Nahrung - heute ist ja praktisch alles, was wir im Laden kaufen, durch all die Zugaben, Denaturierungen und Verfälschungen irgendwie gefährlich - es geht um die weitere Knebelung der Bauern und Monopolisierung des Saatguts..

In einem Symposion zur Diskussion der Gentechnik in der Landwirtschaft, in Benannt, Malasien, an dem ich teilnahm, waren sich die meisten Teilnehmer zunächst einig, dass sie sich einsetzen sollten für mehr Vorsicht in der Anwendung, sie wollten "safeguards", Schutzmaßnahmen. Das ist aber genau die Ebene, auf welcher die Industrie diskutieren will. Akzeptieren wir Maßnahmen zum Schutz bei der Anwendung genmanipulierter Kultivare, dann haben wir die Kultivare akzeptiert. Die Konzerne können weiter prahlen, wie vorsichtig sie sind und wie harmlos ihre Produkte und Methoden. Genau, wie bei den Agrargiften. Schuld ist immer das Opfer. Die Konzerne können sich auch genug käufliche Experten leisten.

Es geht doch um eine grundsätzliche Perversion der Wissenschaft. Wissenschaft im Sinne von Naturwissenschaften (Science auf Englisch). Und das meint ja wohl die Agrarchemie und neuerdings die Gentechnik, wenn sie sich wissenschaftlich schimpft.

Als Einstein, als junger Mann, seine für die klassische Physik umwerfenden Ideen entwickelte, verdiente er sein Brot im Schweizer Patentamt. Er kannte sich also aus im Patentwesen. Es kam ihm aber nicht in den Sinn, seine genialen Ideen patentieren zu lassen. Das gibt es nicht in der Wissenschaft!

Anfang der fünfziger Jahre, enträtselten Crick und Watson, die Begründer der modernen Molekulargenetik, die chemische Struktur des DNS, das ist das Molekül, welches in der lebenden Zelle die Vererbung verschlüsselt und kontrolliert. Man stelle sich vor, sie hätten ihre Entdeckung patentiert. Das hätte ihnen totale Kontrolle über sämtliche genetische Forschung gegeben.

Edison, andererseits, der mehr als tausend Patente auf seinen Namen bekam, nannte sich nicht Wissenschaftler, er war Erfinder. Bei der heutigen Perversion würde man ihn wohl Wissenschaftler nennen.

Nun sehen wir heute ein fieberhaftes Rennen zur Patentierung von einzelnen Genen, wie z.B. im Falle des menschlichen Genoms und allem, was auf der Ebene der Molekulargenetik und Züchtung sowie Manipulation von Lebewesen entdeckt wird.

Patente sind sinnvoll für Erfindungen, nicht für Entdeckungen. Gene, Genome, usw., gibt es, seit es Leben gibt, seit Milliarden von Jahren. Wer hat da das Recht, sich
so etwas anzueignen?

Nun sind transnationale Großkonzerne, die sich kaum ihren Aktionären und sonst niemandem gegenüber verantwortlich fühlen, dabei, genau das zu tun. Sie patentieren ganze Lebewesen, Tiere, Pflanzen, Teile von Lebewesen und Verfahren des Lebens. Einen großen Teil des menschlichen Genoms haben sie schon patentiert.

Dies ist nur ein weiteres Instrument in der Strukturierung einer globalen Techno-Diktatur. Die Regierungen sollen nur noch deren Handlanger sein und sind es leider großenteils schon. Wie ist es möglich, dass Regierungen und auch Parlamente, die ihrem Volk gegenüber verantwortlich sein sollten, sich derart den Interessen der transnationalen Konzerne unterwerfen?

Nun erfahre ich per e-mail von meinem Freund Pat Mooney, ( RAFI, Rural Advancement Foundation - rafi @ rafi.org / http:www.rafi.org ), dem unermüdlichen Kämpfer gegen die Monopolisierung des Saatguts, dass sich auch die Gerichte schon fügen:

Ein kanadischer Landwirt, namens Percy Schmeiser, wurde verurteilt zur Vernichtung seiner Plantage, ausgeführt durch die "gene-Police" von Monsanto, plus 10.000 Dollar "Royalties" und 75.000 Strafe für die "illegalen" Vorteile aus zurückliegenden Jahren. Sein Ende!

Er hatte genmanipuliertes Canola auf seinem Feld, ohne es zu wissen. Sein eigenes Saatgut hatte sich mit dem seiner Nachbarn gekreuzt. Diese hatten alle genmanipuliertes Saatgut auf ihren Äckern. Das Gericht akzeptierte das Argument von Monsanto - egal, wie er dazu gekommen sei, er habe die Vorteile des Herbizid-resistenten Saatguts genossen.

Hier kann man auch sehen, wie weit die Gewissenlosigkeit dieser Konzerne geht. Wenn es ihnen konveniert, verlassen sie ihre eigenen Dogmen - wurde doch bisher behauptet, es bestünde keine Gefahr der Übertragung ihrer Gene durch freie Bestäubung.

Die Absichten der Großkonzerne in der Landwirtschaft sind ganz eindeutig. Der Landwirt soll nur noch total abhängiger Zulieferer und Abnehmer für die Industrie sein, oder verschwinden.

William D.Hefferman, amerikanischer Kritiker des heutigen Nahrungsmittelsystems in seinem Land, in dem kaum ein Dutzend großer Firmen praktisch die gesamte Verarbeitung von Nahrungsmitteln beherrscht, vergleicht das System mit einer Sanduhr. In USA gibt es noch ca. eine Million Landwirte auf der Produktionsseite, die für viele Millionen Konsumenten auf der anderen Seite pflanzen. Es fließt aber fast alles durch das dünne Nadelöhr dazwischen. Man muss hinzufügen, dass es auch genau umgekehrt funktioniert, für die Betriebsmittel. Dort sind es auch nur wenige große Firmen - der Chemie, des Maschinenbaus, usw. Nach beiden Seiten spíelen auch die Großbanken und die Großspekulanten mit. Der Produzent, es sei denn er ist selber Großkonzern oder sehr kapitalkräftig, hat dort nichts zu melden. In dem dünnen Engpass wird alles kontrolliert, besonders der jeweilige Preis.

Wir fahren gerade eine der größten Sojaernten Brasiliens ein. Die Pflanzer hatten große Hoffnung, ihre Schulden abzubauen. Vorbei! Der Weltmarktpreis an der Warenbörse ist in den letzten Tagen empfindlich gefallen, sie bekommen jetzt für mehr Soja weniger Geld. Auch die Reispflanzer müssen mit einem Preissturz bis fast auf die Hälfte rechnen. Erst, wenn all die Schwachen verkauft haben, gehen die Preise wieder rauf...!

In Europa und fast überall in der Welt ist es heute nicht viel anders. Wer da von freier Marktwirtschaft spricht, hat entweder nicht verstanden oder vertritt zynisch das System.. Die Globalisierung soll es weiter festigen.

Daher sind autonome Bauern, die sich selbst und ihre Umgebung ausreichend und gesund ernähren, aus der Sicht des heutigen ökonomischen, von den Transnationalen Konzernen diktierten Denkens, subversiv, wie z.B. die Chiapas-Indianer in Mexiko, die gegen den gemeinsamen Markt in Nordamerika, NAFTA (North American Free Trade Association) aufgestanden sind. Diese Indianer sind Bauern mit alter Maya- und Azteken-Kultur. Solche Kulturen darf man nicht verwechseln mit Jäger-Sammler-Kulturen im Regenwald, im brasilianischen Cerrado, in Patagonien und früher in der Pampa. Ihre Mischkulturen und Fruchtfolgen bringen insgesamt weit höhere Flächenerträge und bessere Nahrung als die modernen, exportorientierten, vom Staat geförderten, großen, chemisierten und mechanisierten Monokulturen. Die Indianer in Chiapas wissen, dass sie in den Slums landen, wenn die Grenzen Mexikos für die hoch subventionierten US-Agrarprodukte geöffnet werden.

Das wäre dann nicht nur katastrophal für Hunderttausende von Menschen, es wäre auch ethnisches Genozid für dutzende von Kulturen. Die verschiedenen Täler sprechen verschiedene Sprachen, pflegen verschiedene Musik und Tänze, erzählen sich verschiedene Sagen und Weltgeschichten, die religiösen Riten und ihre Bauten sind verschieden.

Es wäre ein weiterer Schritt in den schon viel zu vielen Schritten in Richtung dessen, worüber sich der große deutsche Schriftsteller Stephan Zweig beklagte - "die Monotonisierung der Welt". In seinem brasilianischen Exil, in Rio de Janeiro, hat er dann, gemeinsam mit seiner Frau, wir können nur ahnen aus welcher Verzweiflung, sich das Leben genommen.

Sehr signifikant ist, dass gleichzeitig mit den Indianern auch amerikanische Arbeiter protestiert haben, weil auch sie ihre Arbeitsplätze gefährdet sahen, sollten ihre Industrien nach Mexiko umsiedeln, um dort die Vorteile der niedrigen Löhne und der schlechten Sozialversorgung zu genießen. Auf mexikanischer Seite, entlang der Grenze, stehen bereits hunderte von "maquiladeras", das sind amerikanische Fabriken, die praktisch nur für den Markt in Nordamerika produzieren. Die Mexikanische Regierung, der Technokratie hörig, hat kein Interesse, die Situation der Arbeiter zu verbessern.

Jetzt aber kann sie Chiapas nicht mehr ignorieren. Als vor wenigen Wochen (Feb.2001) Comandante Marcos, Chef der Zapatista-Bauernbewegung, nach langen Marsch, ausgehend von Chipas, quer durch das ganze Land, in Mexiko-Stadt ankam, wurde er auf dem Zentralplatz, vor der Kathedrale, von einer gewaltigen Menschenmasse, weit über Hunderttausend, empfangen. In Bangalore, Indien, war ich selbst dabei, als eine halbe Million Bauern gegen die Weltbank, gegen Internationalen Währungsfonds, gegen Welthandels-Organisation und f u e r organischen Landbau demonstrierte.

Die noch überlebenden Bauern - egal ob Europäer, Nord-, Zentral- und Südamerikaner, Afrikaner, Asiaten oder Australier - müssen wissen, dass sie alle im selben Boot sitzen; und den Konsumenten muss bewusst werden, dass nur ein starkes, jeweils sozial und ökologisch verankertes, gesundes Bauerntum, befreit vom Joch der transnationalen Konzerne, nachhaltig gesunde Nahrung liefern kann. Die Gesellschaft muss wissen, wie und wo ihre Nahrung produziert wird, muss an den wichtigen Entscheidungen teilhaben. Davon hängt die nationale Sicherheit ab, und davon hängt ab das Überleben der Zivilisation.

Es fehlt nicht an Wissen, an Information und an Tausenden von praktischen, großen und kleinen Beispielen, wie z.B. im organischen Landbau und anderen Bürgerbewegungen zur sozialen Gerechtigkeit und zur nachhaltigen Entwicklung. Es fehlt an politischem Willen, der wohl noch mit viel persönlicher Anstrengung und Opferbereitschaft von Millionen bewusster Bürger auf fünf Kontinenten erkämpft werden muss.

In der modernen Industriegesellschaft wird es echte Demokratie und gesichertes Überleben erst geben, wenn die techno-bürokratischen Strukturen für Jedermann transparent gemacht werden, wenn sie möglichst klein und dezentral bleiben, wenn die wichtigen Entscheidungen von der Gesellschaft ausgehen und von ihr bewusst und willens getragen werden - nicht, wie heute, diktatorisch in den Führungsetagen der transnationalen Großkonzerne zu deren Vorteil gefasst und durchgesetzt werden mit fügsamer Selbstunterwerfung der Regierungen, egal welcher Parteien.

Weltweit trifft heute zu, und nicht nur für Kernkraft, was in einem Bericht in DER SPIEGEL (Nr14, 2001, S 38) zu den Demonstrationen gegen die Castor-Transporte von Atommüll, so dargestellt wird: "Es ist die Verzweiflung der Leute darüber, dass sie das Gefühl haben, nicht mehr Herr in ihrer Heimat zu sein".

José A.Lutzenberger
April 2001

Voltar ao índice