ANSPRACHE

J.A.Lutzenberger
Mai 2001

Geschrieben für ein Beratungstreffen zur Vorbereitung des 3ten Weltethik Kongresses in Kühlunborn - Deutschland, im Mai 2001.

Unser einmalig kostbarer Planet - Gaia

Der moderne globale Industrialismus in seinem letzten degenerativen Auswuchs, genannt Konsumgesellschaft, ist heute dabei auch noch die allerletzten, einigermassen intakten natuerlichen Systeme zu verstuemmeln, zu vergiften oder gar ganz auszuloeschen.

So erfuhr ich vor kurzem von einem argentinischen Freund, die argentinische Regierung habe einer japanischen Firma Konzession erteilt zur Einrichtung eines Schlachthauses fuer Pinguine auf Feuerland, fuer den japanischen Konsum. Es setzt schon viel Fantasie voraus, ueberhaupt auf eine solche Idee zu kommen. Zum Glueck war der Widerstand der lokalen Bevoelkerung stark genug, um es zu verhindern.

Dieses Beispiel bezeugt die ruecksichtslose Gefraessigkeit der modernen Industriegesellschaft, es zeigt aber auch, dass der Buerger ihr gegenueber noch nicht ganz entmuendigt ist.

Der gebildete, seiner Verantwortung bewusste Mensch, muss handeln, muss sich wehren.

Was heute an praktisch allen Kuesten der Welt passiert, auch das Totfischen der Meere, ist nur ein kleiner Teil der systematischen Vervuestung Gaias, unseres lebendigen Planetens. Die Technokratie sieht in ihm nur ein gratis Lagerhaus mit unendlichen Bestaenden, an denen wir uns sorgenlos bedienen koennen. Es ist ihr gelungen, den meisten Menschen schon von Kindheit auf diese Sicht einzutrichtern. Das gehoert zu den Grunddogmen der technokratischen Weltsicht. Solange unsere Zivilisation an dieser fanatischen Religion festhaelt, wird sie sich selbstmoerderisch benehmen.

Diese sinnlose Weltsicht muessen wir bekaempfen.Wir muessen uns doch bewusst sein, dass unser Planet etwas unglaublich kostbares, auch auf kosmischer Ebene extrem Seltenes, Einmaliges ist.

Ausser der Erde sind alle anderen in unserem Sonnensystem, vom sonnennaechsten, Merkur, bis zum entferntesten, Pluto, tote Planeten, so tot wie der Mond. Wenn auch NASA gerne spekuliert, es gaebe vielleicht tief im Boden auf Mars, oder unter der Eisdecke auf einem der Monde Jupiters, Europa, Formen von Leben, weil es dort moeglicherweise fluessiges Wasser geben kann, so kann es sich gegebenenfalls doch nur um ganz primitive Formen von Leben handeln, hoechstens auf der Stufe der Komplexitaet von Bakterien.

Inzwischen glaubt die Astronomie andere, sogar schon einige Dutzend, Planetensysteme zwar nicht direkt gesehen, aber indirekt entdeckt zu haben. Es handelt sich aber um Riesenplaneten, maechtiger als Jupiter, in unmittelbarer Naehe zu ihren Sonnen, es sind auch anders geartete Sterne, als unsere Sonne. An Leben ist da nicht zu denken.

Auch auf galaktischer Ebene, inmitten der mehrere hundert Milliarden von Sternen unserer Milchstrasse, sind fuer die Entwicklung von Leben geeignete Sterne aeusserst selten.

Es genuegt ja nicht, dass der Planet die richtige Groesse hat, sich in geeigneter Entfernung zu seiner Sonne befindet, und dass seine Sonne die richtige Groesse, Ausstrahlung und Lebensdauer hat. Es muss auch zu einem Temperaturgleichgewicht kommen, das sich ueber einige milliarden Jahre haelt. Der Temperaturbereich muss fluessiges Wasser erlauben.
Es muss zu Ozeanen und Kontinenten kommen. Die ozeane muessen einige milliarden Jahre ueberleben, ohne zu verdunsten.

Das System muss sich aus einem Nebel heraus kondenziert haben, der ausser den leichten Elementen Wasserstoff und Helium, was ja im Universum das Normale ist, auch all die anderen fuer das Leben notwendigen Elemente enthielt - vom Kohlenstoff, Sauerstoff, Silizium, Phosphor, Kalzium, Magnesium, Eisen, Kalium und Natrium, etc., bis hin zu Spurenelementen, wie Vanadium und Cobalt - an die 25 insgesamt. Auch die anderen von den insgesamt ueber achzig stabilen Elementen sind wohl fuer die geologische Entwicklung notwendig. Es muss zu Kontinentalverschiebung kommen, sonst koennten die Kontinente, falls sich ueberhaupt welche bildeten, bis zum Verschwinden abgetragen werden, der Planet waere ein einziger Ozean.

Elemente schwerer als Helium entstehen aber nicht in Sonnen, wie der unseren, sie setzen eine Supernova voraus. Das sind Sterne, die um vieles mehr Masse als unsere Sonne haben, daher schon frueh in ihrer Entwicklung zusammenbrechen und dann in einer gewaltigen Explosion auseinanderknallen, wobei Temperaturen von Hunderten von milliarden Grad Celsius enstehen und all diese Elemente durch Fusion aus Helium, "erbruetet" und in den Raum geschossen werden. Die Ausstrahlung einer solchen Supernova ist dann im Moment der Explosion um einiges staerker als die der gesamten Galaxie.

Damit wir heute existieren, uns ueber diese Zusammenhaenge Gedanken machen koennen, war es notwendig, dass der interstellare Nebel, aus dem unser Sonnensystem entstand, Aschen einer solchen Sternenkatastrophe mit auffing, einer Supernova, die millionen oder milliarden Jahre vorher explodierte.

Nachdem aber eine Entwicklung von Leben wie die von Gaia beginnt, darf so etwas nicht wieder in astronomischer Naehe vorkommen. Eine Supernova in der Entfernung unseres naechsten Nachbarn, Alfa Zentauri, ca. fuenf Lichtjahre entfernt, oder auch noch hunderte von Lichtjahren weiter, wuerde mit ihren Gammastrahlen alles Leben ausloeschen. Unser Stern muss also bis dahin sich in einer ruhigen Gegend der Galaxie befinden. Hierfuehr muessen Zeitspannen von millionen oder hunderten von Millionen Jahre vergangen sein..

Auch die Entwicklung hoeherer Lebensformen, und besonders tierischen Lebens, setzt milliarden Jahre anorganischer und organischer Entwicklung voraus. Es ist auch nicht sicher, dass es ueberhaupt zu solchen Lebensformen kommt. Viele, viele ganz besondere Umstaende, Bedingungen und Zufaelle sind notwendig.

Die ersten Bakterien entstanden vor ca. dreieinhalb milliarden Jahren, mindestens eine halbe Milliarde Jahre nach Beginn der Ursuppe, eine ganze Milliarde nach Geburt des Sonnensystems. Die Ursuppe war eine rein biochemische Entwicklung.

Wenn man nun bedenkt, dass eine einzelne Bakterie in ihrem chemischen Haushalt komplizierter ist als so mancher unserer grossen industriellen Chemiekomplexe, dann kann man sich nur wundern, wie so etwas Einmaliges entstehen konnte. War diese Entwicklung unvermeidbar? Vorprogrammiert? Rein zufaellig? Wir werden es wohl nie wissen.

Bakterien beherrschten dann alleine den Planeten eine milliarde Jahre lang . Dann erst entstanden die hoeheren Einzeller, die Eukarioten. Nocheinmal eine milliarde Jahre spaeter, erst ca. 4 Milliarden Jahre nach Entstehen unseres Sonnensystems, waren dann die ersten Tiere und Pflanzen da. Von dort bis zu uns Menschen nochmal eine halbe Milliarde Jahre. Die menschliche Intelligenz setzt also viereinhalb milliarden Jahre Entwicklung in unserem Sonnensystem voraus, und davor noch einige hundert Millionen oder Milliarden.

Die letzten fuenfhundert millionen Jahre sind nun von unglaublicher Schoenheit, sie brachten die grossartige Vielfalt von hoeheren Lebensformen hervor von denen wir Menschen nur eine sind.

Fuenf grosse Phasen des Aussterbens hat der grosse schoepferische Prozess ueberlebt. Wir Menschen, in unserer heutigen "Zivilisation", sind nun fleissig dabei, die sechste, vielleicht endgueltige (?) in Gang zu setzen.

Bei all diesen Voraussetzungen duerfte eine Situation wie die heutige, schaetzen moderne Kosmologen, sowohl in unserer Galaxie, wie im Universum als Ganzem, mit seinen Hunderten von Milliarden Galaxien, von unvorstellbarer Seltenheit sein, um vieles seltener als ein bestimmtes Sandkoernchen auf einem tausend Kilometer langen Strand.

Nur auf bodenloser Ignoranz basierende Arroganz kann zu Benehmen, wie das der heutigen "Konsumgesellschaft" fuehren. Dabei haben wir uns das fuer eine ehrfurchtvolle, staunende Einstellung notwendige Wissen laengst erarbeitet. Es ist aber den meisten Menschen nicht bewusst.

Dieses Panorama, oben nur in seinen allergroebsten Pinselstrichen gezeichnet, muesste uns allen von Kindheit an eingegtrichtert werden. Warum geschieht das nicht?

Wo bleiben die Kirchen? Sie sind doch angeblich fuer Ethik zustaendig!

Die "primitiven" Stammesvoelker hatten verstanden, rein intuitiv! Fuer sie war die Erde heilig. Warum ist sie fuer die Maechtigen unter uns heute nur Rohstoff, Buehne oder Dreck???

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