Vortag S. Paulo

VORTRAG VON JOSE A. LUTZENBERGER IM VDI (SÃO PAULO) AM 24-08-98

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Die Methoden der "modernen Landwirtschaft" gelten als so effizient, dass viele glauben oder predigen, ohne sie müsse die Menschheit verhungern. Es heisst , in einem modernen Land, wie die USA, gelinge es heute weniger als zwei Prozent der Bevölkerung, die Gesamtbevölkerung zu ernähren, wärend um 1900 dort noch ca. sechzig Prozent und 1945 vierzig Prozent auf dem Land schuften mussten.

Dies ist aber eine Illusion, es wird verglichen, was man nicht vergleichen kann. Der traditionelle, bodenständige Bauer war, gesamtwirtschaftlich gesehen, ein sich selbst versorgendes System der Produktion, Verarbeitung und Verteilung von Nahrungsmitteln und einigem mehr. Das System war nicht von zugekauften Betriebsmitteln und Finanzierungen abhängig. Die wenigen Geräte die es brauchte wurden von den Handwerkern im dorf, die auch zur Landesbevölkerung zählten hergestellt. Die vom Bauern produzierten Lebensmittel wurden zum grossen Teil schon auf dem Hof oder im Dorf verarbeitet und auf dem Wochenmarkt direkt zum Verbraucher gebracht. (in unserer Landessprache, Portugiesisch, heissen deshalb die Wochentage heute noch "segunda, terça-feira...).

Dagegen ist der moderne Landwirt eigentlich nicht viel mehr als ein Traktorfahrer, Kunstdünger- und Giftstreuer . Er ist ein winziges Schräubchen in einem gewaltigen techno-bürokratisch-legislativen Apparat. Dazu gehören anteilmässig die Ölfelder, Raffinerien, Teile der chemischen Industrie, der Maschienen- Werkzeug- Fahrzeugindustrie, Banken und eine riesige Industrie, die es früher nur in kleinen Ansätzen gab, die Nahrungsmittel verarbeitende, denaturierende, kontaminierende (Rückstände, Additive) verpackende und über Kontinente verteilende Industrie, bis hin zu den Supermärkten, "Shopping Centers" und Allem was dazugehört, einschliesslich der landwirtschaftlichen Hochschulen, Forschung und Beratung, wobei auch dieser ideelle Teil von der Industrie beherrscht und vereinnahmt wurde. Das gesamtsystem ist nur mit Subventionen, Spezialgesetzgebung, Verordnungen und Marktmanipulation am Leben zu erhalten.

Daher können wir, wenn wir den Aufwand an menschlicher Arbeir für die Pproduktion, Verarbeitung und Verteilung von Nahrungsmitteln im alten und im neuen System vergleichen wollen nicht Bauer damals, Bauer heute rechnen. All die Arbeitsstunden, die direkt oder indirekt zur Produktion, Verarbeitung und Verteilung nötig sind, müssen aufgerechnet werden, ob im Ölfeld, in Saudiarabien, Kuweit oder Venezuela, oder vor dem Rechner in der Bank und Vieles, Vieles mehr, einschliesslich zum Beischpiel die Arbeitsstunden, die ein Zahnarzt leisten muss für die Steuern, die im abgenommen werden für die Milliarden-Subventionen die das verrückte System stützen.

Unsere Wirtschafts -"wissentschaftler" sollten auch eine Bilanz aufstellen, in der die sozialen und die Umweltkosten berücksichtigt werden, weltweit wurden hunderte von Millionen von Menschen entwurzelt, ein Prozess der weiterläuft (auch in Europa, Japan, USA) und der sich durch die "Globalisierung" noch verschlimmern wird.

Mann stelle sich nur vor, wenn in den nächsten zwei Jahrzehnten, was wohl jetzt unvermeidlich ist, nochmal eine Milliarde Menschen entwurzelt wird, ihre historisch gewachsenen sozialen Strukturen, in denen sie sich geborgen fühlen, in denen sie sinnvolle Traditionen und sitten pflegen, zusammenbrechen, sie in die Megakonurbationen ziehen müssen (siehe Mexico City, siehe Chiapas)! Was wird das auslösen an Bürgerkriegen, grossen Kriegen, Kriminalität, Elend, Hunger, Seuchen?

Auch die, durch die moderne Landwirtschaft ausgelöste Umweltzerstörung wird in den Büchern der Ökonomen nicht berücksichtigt. In Südbrasilien haben wir den subtropischen Regenwald im Uruguaytal praktisch wegradiert, mit staatlichen Subventionen. Wozu? Nicht etwa um hungrige Brasilianer zu ernähren, nein, für die fetten Kühe im gemeinsamen Markt (Milchseen, Butterberge)!

Die moderne Massentierhaltung in den Hühner- und Rinder-KZs, Eierfabriken und Schweinekerkern, zerstört mehr menschliche Nahrung als sie produziert. Wenn auch nur die 1,2 Milliarden Chinesen dazu übergehen, sich so zu ernähren wie die Deutschen, dann bricht der Getreidemarkt zusammen. Sie haben es vor!

Wir müssen verstehen, dass diese Methoden enstanden sind, nicht weil sie von der Landwirtschaft und von der ursprünglichen landwirtschaftlichen Forschung, die ganz in ökologischer Richtung arbeitete, verlangt wurden, sondern weil sie der Landwirtschaft von der Industrie, mit Hilfe der Banken und des Staates aufgezwungen wurden. Der Industrie is es gelungen, dem Landwirt all das abzunehmen, was ihm sicheres Überleben garantierte und ihm nur das zu lassen, was Risiken beinhaltet - das Risiko schlechter Ernten durch schlechtes Wetter, was Niemand voraussehen und beherrschen kann, und ein immer schmäleres Einkommen durch die immer grössere Abhängigkeit von immer teueren Betriebsmitteln, mit immer schlechteren Preisen für seine Erzeugnisse.

Die Biotechnologie in Händen derselben transnationalen Konzerne, die die Agrargifte puschen, ist jetzt die Fortsetzung und endgültige Abrundung dieses Prozesses.

Die Methoden der "Modernen Landwirtschaft" sind eben nicht die einzige Lösung für das Problem des Welthungers, im Gegenteil, sie tragen dazu bei.

Dies soll nicht heissen, dass wir zurück müssen zu primitiven Methoden, zur Aufgabe aller Technik. Wir können es heute weitaus besser machen als damals und das Leben auf dem Land kann heute viel angenehmer und gesünder sein als in der Stadt. Wir brauchen in der Landwirtschaft echte Wissentschaft, nicht rein empirische Entwicklung immer neuer Instrumente zur schaffung von Abhängigkeit.

Die heutige Tendenz, weg vom Famielienbetieb, hin zum allumfassenden "Agribusiness", zur weltweiten Vermarktung der Nahrungsmittel müssen wir umkehren. 1996 wurde ich eingeladen zu einen Bauernkongress in Bangalore. Am Tage vor der Eröffnung des Kongresses, an dem Bauernführer aus ganz Südostasien teilnahmen, gab es eine Demonstration - am Stadtrand: eine halbe Million Bauern protestierte gegen die Weltbank, gegen IMF, WTO und für organischen Landbau...

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